Nationen und Kollektive: Quo vadis, Türkei?“

29.11.2016 um 18 Uhr c.t., HZ 14 am IG-Farben-Campus

Natio­na­lis­mus heu­te ist über­holt und aktu­ell zugleich. Über­holt, weil ange­sichts der zwangs­läu­fi­gen Ver­bin­dun­gen von Natio­nen zu Groß­blö­cken unter der Supre­ma­tie der mäch­tigs­ten, wie sie allein schon die Ent­wick­lung der Waf­fen­tech­nik dik­tiert, die sou­ve­rä­ne Ein­zel­na­ti­on, zumin­dest im fort­ge­schrit­te­nen kon­ti­nen­ta­len Euro­pa, ihre geschicht­li­che Sub­stan­tia­li­tät ein­ge­büßt hat. […] Aktu­ell aber ist der Natio­na­lis­mus inso­fern, als allein die über­lie­fer­te und psy­cho­lo­gisch emi­nent besetz­te Idee der Nati­on, stets noch Aus­druck der Inter­es­sen­ge­mein­schaft der inter­na­tio­na­len Wirt­schaft, Kraft genug hat, Hun­der­te von Mil­lio­nen für Zwe­cke ein­zu­span­nen, die sie nicht unmit­tel­bar als die ihren betrach­ten können.“
(Ador­no, „Was bedeu­tet: Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit“ 1959)

Mitt­ler­wei­le dürf­te kaum ein Zwei­fel bestehen, dass die neue Wel­le von Gewalt und Unter­drü­ckung in der Tür­kei nicht ein­fach eine aus der Kon­trol­le gera­te­ne anti-demo­kra­ti­sche Reak­ti­on auf einen miss­lun­ge­nen Putsch­ver­such dar­stellt, son­dern Teil eines Regime­wech­sels ist, der den Umbau der Tür­kei in einen auto­ri­tä­ren Staat umsetzt. Unter Bezug­nah­me auf einen sou­ve­rä­nen und natio­na­len Wil­len wer­den Insti­tu­tio­nen frei­er Mei­nungs­äu­ße­rung und zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen gewalt­sam zer­schla­gen und eine auf dicho­to­men Freund-Feind Unter­schei­dun­gen basie­ren­de destruk­ti­ve Poli­tik vor­an­ge­trie­ben, die die Bevöl­ke­rung wei­ter spal­tet und ihre ver­mit­teln­den Instan­zen abbaut.

Zur detail­lier­ten poli­ti­schen Bestands­auf­nah­me die­ser Ent­wick­lung haben wir Refe­ren­tin­nen aus Istan­bul ein­ge­la­den, die als kri­ti­sche Intel­lek­tu­el­le bereits unmit­tel­bar von Repres­si­ons­maß­nah­men betrof­fen sind und die Tür­kei unter AKP-Füh­rung ana­ly­sie­ren wer­den. Ergänzt wird ihre Per­spek­ti­ve durch Ismail Küpe­lis (Uni­ver­si­tät Bochum) Aus­füh­run­gen zum Ver­hält­nis zwi­schen tür­ki­schem Staat, Kur­den und PKK, sowie die damit ver­bun­de­ne Außen­po­li­tik in Syri­en und Rojava.