Materialistischer Queerfeminismus

Buch­vor­stel­lung & Dis­kus­si­on mit der Her­aus­ge­be­rin Frie­de­ri­ke Bei­er & Fran­zis­ka Haug
Frei­tag, 12. Janu­ar 2024
19:00 Uhr, Café KoZ (Mer­ton­stra­ße 26 – 28, 60325 Frank­furt am Main)

Die bei­den geben eine Ein­füh­rung in die Theo­rien des mate­ria­lis­ti­schen Que­er­fe­mi­nis­mus und stel­len ihre Bei­trä­ge aus dem gera­de erschie­ne­nen Sam­mel­band vor. Im Anschluss wer­den poli­ti­sche Per­spek­ti­ven einer nicht-hete­ro­nor­ma­ti­ven, son­dern sor­ge­zen­trier­ten Gesell­schaft vor­ge­stellt und diskutiert.

Mehr zum Buch: https://unrast-verlag.de/produkt/materialistischer-queer-feminismus/

Ästhetik.Kultur.Kritik – Ästhetische Erfahrung im Kapitalozän

Vor­trags­rei­he | Dezem­ber 2023 bis Juni 2024

*UPDATE: der Vor­trag von Jen­ny Nach­ti­gall am 27. Juni muss lei­der ent­fal­len*
Lei­der wird der Vor­trag von Jen­ny Nach­ti­gall „Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik“, der für kom­men­den Don­ners­tag (27.06.24) ange­setzt war, nicht wie geplant statt­fin­den kön­nen. Ihr erfahrt hier und über unse­re Social Media-Kanä­le, falls der Vor­trag in einem ande­ren Set­ting nach­ge­holt wer­den kann.

Das Bewusst­sein davon, dass wir mit der durch die kapi­ta­lis­ti­sche Ver­wer­tungs­lo­gik pro­du­zier­ten Kli­ma­ka­ta­stro­phe in das Zeit­al­ter des Kapi­talo­zäns ein­ge­tre­ten sind, hat sich auch in der Kunst nie­der­ge­schla­gen. Kon­kret zeigt sich dies mit Blick auf die kri­ti­sche Ver­hand­lung der Auf­fas­sung davon, was gewöhn­lich in dem Begriff der ›Ver­mitt­lung von Geist und Natur‹ zum Aus­druck kommt. Was kann – und mit­un­ter muss – in einer ästhe­ti­schen Erfah­rung heu­te erschlos­sen wer­den? Die Vor­trags­rei­he wird die­sen Zugang mit­hil­fe ver­schie­de­ner Ansät­ze gegen­wär­ti­ger Ästhe­tik kri­tisch befragen. 

Denn mit dem Bewusst­sein der vom Kapi­tal gemach­ten Kli­ma­ka­ta­stro­phe ist zwar auch die Mög­lich­keit gege­ben, die Logik zer­stö­re­ri­scher Natur­be­herr­schung zu durch­bre­chen. »Ange­sichts sol­cher Mög­lich­keit aber«, mit den bekann­ten, die Theo­rie der Kul­tur­in­dus­trie ein­lei­ten­den Wor­ten von Theo­dor W. Ador­no und Max Hork­hei­mer gespro­chen, »wan­delt im Dienst der Gegen­wart Auf­klä­rung sich zum tota­len Betrug der Mas­sen um.« Mit der Fra­ge nach dem, was eine ästhe­ti­sche Erfah­rung im Kapi­talo­zän zu erschlie­ßen fähig ist, wird die Vor­trags­rei­he zugleich danach fra­gen, was sie zu ver­schlie­ßen fähig ist: Es sind die von der Ästhe­tik betrach­te­ten Zugän­ge, in denen sich die­ser Betrug voll­zie­hen lässt.


Programm


[1] „Gemein­sinn: Kant über die Kunst des Gat­tungs­we­sens“ | Vor­trag von Tho­mas Khurana

Diens­tag, 12.12.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: Casi­no 1.812 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Wildt

[2] „Dar­stel­lun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses“ | Podi­um mit Julia­ne Reben­tisch & Chris­toph Menke

Mitt­woch, 17.01.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: Casi­no 1.811 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nathan Taylor

[3] „Die Kon­zep­ti­on der Kul­tur­in­dus­trie in der frü­hen Kri­ti­schen Theo­rie: Grund­la­gen und Aktua­li­tät“ | Work­shop mit Susan­ne Martin

Frei­tag, 02.02.24 von 12:00 – 16:00 Uhr

Raum: Sit­zungs­saal I – Insti­tut für Sozi­al­for­schung (IfS)

Anmel­dung unter: info@forumkw.de

[4] „Zur Poli­ti­schen Öko­no­mie der Medi­en und Grund­ris­se einer Wert­theo­rie der Kunst“ | Podi­um mit Isa­bel­le Graw & Chris­ti­an Fuchs

Don­ners­tag, 06.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Eli­as Schedler

[5] „Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik“ | Vor­trag von Jen­ny Nachtigall

Mit einer Respon­se von Simon Gurisch

Don­ners­tag, 27.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nils Fock



[1] Thomas Khurana: »Gemeinsinn: Kant über die Kunst des Gattungswesens«

Diens­tag, 12.12.2023 | 18:00 (c.t.) | Casi­no 1.812 (IG-Far­ben Cam­pus, Goethe-Universität)

Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Wildt

In »Gemein­sinn: Kant über die Kunst des Gat­tungs­we­sens« wird Tho­mas Khurana der Ver­mitt­lung von Geist und Natur in der ästhe­ti­schen Erfah­rung und dem aus ihr resul­tie­ren­den ästhe­ti­schen Urteil nach­ge­hen. In sei­ner drit­ten Kri­tik ent­wi­ckelt Kant Über­le­gun­gen zu einer durch Kunst her­vor­ge­brach­ten Natur, die sich dadurch aus­zeich­net, geis­tig her­vor­ge­bracht zu sein und zugleich die Erfah­rung einer ande­ren Natur zu ermög­li­chen, die das Begriffs­ver­mö­gen über­schrei­tet. Kants Bestim­mung des ästhe­ti­schen Urteils zeigt so ein Ver­hält­nis des Geis­tes zu sich selbst, zur Natur und einer Form der Sozia­li­tät auf, das im Begriff des Gat­tungs­we­sens zusam­men­läuft, den Khurana bis­her bei Marx und Hegel ver­folgt hat. Denn die­ser Begriff zeich­net sich zum einen durch sei­ne die anthro­po­zen­tri­sche Sicht­wei­se tran­szen­die­ren­de Offen­heit gegen­über der natür­li­chen Exis­tenz des Geis­tes aus und wird zum ande­ren auch von Marx mit der Fähig­keit zu ästhe­ti­schen Urtei­len erläu­tert. Im Vor­trag wird die­se Idee nun an Kant selbst nach­voll­zo­gen und ver­han­delt, inwie­weit der Begriff des Gat­tungs­we­sens im Lich­te aktu­el­ler Dia­gno­sen des Kapi­talo­zäns als eine von die­sem Gat­tungs­we­sen wesent­lich ent­frem­de­te Gegen­wart zu refor­mu­lie­ren wäre.


[2] Juliane Rebentisch und Christoph Menke im Gespräch mit Nathan Taylor: »Darstellungen des Naturverhältnisses«

Mitt­woch, 17.01.2024 | 18:00 (c.t.) | Casi­no 1.811 (IG-Far­ben Cam­pus, Goethe-Universität)

Mode­ra­ti­on: Nathan Taylor

Mit dem Begriff des Kapi­talo­zäns geht gemein­hin ein Urteil des Schei­terns der herr­schen­den Ver­mitt­lungs­lo­gik von Geist und Natur ein­her. Die­ses stellt somit auch bis­he­ri­ge Bestim­mun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses grund­le­gend infrage.

Seit der Moder­ne wird das Natur­ver­hält­nis in der phi­lo­so­phi­schen Ästhe­tik häu­fig in den Begrif­fen des ›Natur­schö­nen‹ und des ›Erha­be­nen‹ ver­han­delt. Ers­te­rer bringt ein har­mo­ni­sches Zusam­men­spiel von Geist und Natur inner­halb ihrer bestehen­den Ver­mitt­lung zur Spra­che. Letz­te­rer hin­ge­gen will deren Dis­har­mo­nie als Erfah­rung einer ver­meint­li­chen Über­le­gen­heit des Geis­tes gegen­über der Natur begreifen. 

Wenn die herr­schen­de Ver­mitt­lungs­lo­gik von Geist und Natur – und mit ihr die Bestim­mun­gen des Natur­schö­nen und des Erha­be­nen – im Kapi­talo­zän nun pro­ble­ma­tisch wer­den, so muss das Natur­ver­hält­nis auf eine aus jenen klas­si­schen Kate­go­rien hin­aus­füh­ren­de Wei­se neu gedacht wer­den. Die­se grund­le­gen­de Auf­ga­be teilt sich die phi­lo­so­phi­sche Ästhe­tik mit ande­ren Dis­zi­pli­nen. Doch nimmt nur sie dabei aus­drück­lich und pri­mär zum Gegen­stand, was in bestimm­ten Natur­ver­hält­nis­sen wie zur Dar­stel­lung kommt. Damit ist sie ent­schei­dend an der Her­aus­bil­dung einer ande­ren Auf­fas­sung und Erfah­rung von Natur beteiligt.

Die zwei­te Ver­an­stal­tung unse­rer Rei­he »Ästhetik.Kultur.Kritik. Ästhe­ti­sche Erfah­rung im Kapi­talo­zän« the­ma­ti­siert »Dar­stel­lun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses«, in wel­chen die Mensch-Tier-Bezie­hung zum Aus­druck kommt. Julia­ne Reben­tisch und Chris­toph Men­ke spre­chen über Per­spek­ti­ven, Natur jen­seits ihrer gewöhn­li­chen Ent­ge­gen­set­zung zum Geist zu den­ken, die sich in der Betrach­tung bestimm­ter Dar­stel­lun­gen des Tie­ri­schen durch den Men­schen eröff­nen – und dar­über, war­um die Küns­te hier­für unver­zicht­bar sind.


[3] Susanne Martin: »Die Konzeption der Kulturindustrie in der frühen Kritischen Theorie: Grundlagen und Aktualität«

Frei­tag, 02.02.2024 | 12:00 – 16:00 (c.t.) | Sit­zungs­saal des IfS (Sen­cken­berg­an­la­ge 26, 60325 Bockenheim).

Unter dem Begriff Kul­tur­in­dus­trie haben Hork­hei­mer und Ador­no die Kom­mo­di­fi­zie­rung der Pro­duk­ti­on und Rezep­ti­on kul­tu­rel­ler Erzeug­nis­se ana­ly­siert. Ihre Kri­tik rich­te­te sich dabei gegen die inte­gra­ti­ve Kraft der Kul­tur­in­dus­trie, durch die die Sub­jek­te im Zuge des Kon­sums in die gesell­schaft­li­che Ord­nung ein­ge­glie­dert wer­den. In die­sem Licht ent­puppt sich die Kul­tur­in­dus­trie als ein vor­ran­gi­ger Bereich der ideo­lo­gi­schen Herr­schafts­sta­bi­li­sie­rung im Spätkapitalismus.

Wie wird die­ser Befund begrün­det und wel­che Rele­vanz hat er heu­te ange­sichts eines weit­rei­chend ver­än­der­ten kul­tu­rel­len Ange­bots und Kon­sums? Um die­se über­ge­ord­ne­ten Fra­gen des Work­shops zu beant­wor­ten, wer­den wir in einem ers­ten Schritt zen­tra­le Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en des Kapi­tels »Kul­tur­in­dus­trie. Auf­klä­rung als Mas­sen­be­trug« der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung rekon­stru­ie­ren. In einem zwei­ten Schritt soll anhand selbst­ge­wähl­ter Gegen­warts­phä­no­me­ne die Aktua­li­tät der Kul­tur­in­dus­trie­kri­tik aus­ge­lo­tet wer­den. Basis bil­den die Dis­kus­si­on ein­schlä­gi­ger Text­pas­sa­gen sowie Inputs zur Ent­ste­hungs- und Rezep­ti­ons­ge­schich­te der Theo­rie. Das abschlie­ßen­de Ziel des Work­shops ist es, Über­le­gun­gen zu einer zeit­ge­mä­ßen Kul­tur­kri­tik im Anschluss an die frü­he Kri­ti­sche Theo­rie anzustellen.

Text­grund­la­ge: Hork­hei­mer, Max & Ador­no, Theo­dor W. (1944), Kul­tur­in­dus­trie. Auf­klä­rung als Mas­sen­be­trug, in: Max Hork­hei­mer Gesam­mel­te Schrif­ten Bd. 5: Dia­lek­tik der Auf­klä­rung und Schrif­ten 1940 – 1950, hg. v. Gun­ze­lin Schmid Noerr, Frank­furt 1987: Fischer, 144 – 196.

Um Anmel­dung wird gebe­ten unter: info@forumkw.de (wir schi­cken dann ger­ne eine PDF-Ver­si­on des Kapi­tels zum Ein­le­sen zu).


[4] „Zur Politischen Ökonomie der Medien und Grundrisse einer Werttheorie der Kunst“ | Podium mit Isabelle Graw & Christian Fuchs

Don­ners­tag, 06.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Eli­as Schedler

In Gestalt einer digi­ta­len Klas­sen­ge­sell­schaft, ver­än­der­ter Mecha­nis­men von Herr­schaft und neu­er For­men ent­frem­de­ter Arbeit keh­ren im Zei­chen des Digi­ta­len eta­blier­te Ant­ago­nis­men des Kapi­ta­lis­mus wie­der. Um die­se Phä­no­me­ne und Ent­wick­lun­gen unse­rer Gegen­wart genau­er zu ver­ste­hen, unter­sucht Chris­ti­an Fuchs in sei­nem Vor­trag eini­ge Grund­la­gen der Kri­tik der Poli­ti­schen Öko­no­mie des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus. Exem­pla­risch wird er dabei auf Kon­zep­te von Karl Marx und Theo­dor W. Ador­no ein­ge­hen und nach deren Rele­vanz für eine Gegen­warts­ana­ly­se des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus fragen.

Im zwei­ten Teil wird Isa­bel­le Graw ihre an Marx ange­lehn­ten wert­theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen zur zeit­ge­nös­si­schen Kunst prä­sen­tie­ren. Sie knüpft damit an die ästhe­ti­sche Beob­ach­tung an, wonach die bür­ger­li­che Kunst seit jeher durch den Umstand bestimmt ist, Ware zu sein und zugleich die­sen Waren­cha­rak­ter durch künst­le­ri­sche Auto­no­mie zu negie­ren. Nach Marx beruht der Wert der gewöhn­li­chen Ware auf kon­kre­ter Arbeit, abs­tra­hiert jedoch zugleich von die­ser Arbeit. In der Ana­ly­se künst­le­ri­scher Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se geht Graw der Fra­ge nach der spe­zi­fi­schen Ver­ge­gen­ständ­li­chung künst­le­ri­scher Arbeit am Bei­spiel von Pie­ro Man­zo­ni und Robert Mor­ris nach. Die­se ver­han­deln ihre eige­ne Wert­form, indem sie das fer­ti­ge Pro­dukt und sei­nen Her­stel­lungs­pro­zess in Koprä­senz ausstellen.


[5] „Form, Eigentum und der eigenwillige Vitalismus einer materialistischen Ästhetik“ | Vortrag von Jenny Nachtigall

Mit einer Respon­se von Simon Gurisch

Don­ners­tag, 27.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nils Fock

Mit dem Ziel einer His­to­ri­sie­rung aktu­el­ler Debat­ten um Kunst und Eigen­tum wer­den in »Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik« ver­schie­de­ne mate­ria­lis­ti­sche Gegen­mo­del­le zum pos­ses­si­ven For­ma­lis­mus der Kunst­ge­schich­te vor­ge­stellt. Gemein­sam ist die­sen Model­len zwar eine Ori­en­tie­rung an Fra­gen des Lebens und des Leben­di­gen. Dar­aus folgt jedoch nicht, dass der Kunst eine onto­lo­gi­sche Alteri­tät oder Vita­li­tät zuge­schrie­ben wird. Die­se ›ande­re Tra­di­ti­on‹ fasst Jen­ny Nach­ti­gall als Ansatz eines eigen­wil­li­gen Vita­lis­mus (›way­ward vitalism‹).

way­ward vita­lism‹ soll damit nicht als ein fixer Begriff fest­ge­schrie­ben wer­den. Viel­mehr soll er in sei­ner Vor­läu­fig­keit dabei hel­fen, ein ästhe­ti­sches Ver­hält­nis zum Leben ins Spiel brin­gen, das jen­seits der (bis heu­te von Kunst­ge­schich­te und dem Muse­um auf­recht­erhal­ten­den) Grenz­zie­hun­gen der Moder­ne, For­men von Gemein­schaft­lich­keit, kol­lek­ti­ven Machens/Nichtmachens, oder des Pro­tests umfas­sen kann. Was wird erzähl­bar, wenn wir die­se ›ande­re Tra­di­ti­on‹ in den Blick neh­men – und was fehlt?

Vorankündigungen

Aktu­ell berei­ten wir die Durch­füh­rung einer Ver­an­stal­tungs­rei­he zu Ästhe­tik und Kul­tur­in­dus­trie vor. Die Rei­he soll im Dezem­ber die­ses Jah­res (2023) begin­nen und vier Ver­an­stal­tun­gen umfas­sen. Kon­kre­te Ankün­di­gun­gen zu den Ver­an­stal­tun­gen wer­den wir recht­zei­tig hier und über unse­re Face­book-Sei­te und twit­ter bekannt geben. Wir freu­en uns auf inter­es­san­te Aben­de mit euch!

Buchvorstellungen 2023

[1] Christoph Menke: „Theorie der Befreiung“

Mitt­woch, 19.04.2023 um 18 Uhr (c.t.)
Casi­no 1.811 (IG-Far­ben-Cam­pus)
Mode­ra­ti­on: Chris­ti­na Engel­mann und André Möller

Die Auf­zeich­nung zur Ver­an­stal­tung fin­det Ihr auf unse­rem You­Tube-Kanal!

In sei­nem neu­en Buch „Theo­rie der Befrei­ung“ setzt Chris­toph Men­ke bei der geschicht­li­chen Dia­gno­se an, dass alle öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Befrei­ungs­ver­su­che geschei­tert sind. Aus­ge­hend von der grie­chi­schen Frei­heit – die pro­gram­ma­tisch in Abgren­zung zum unfrei­en Zustand der Skla­ve­rei defi­niert ist und unse­re west­li­chen Frei­heits­vor­stel­lun­gen nach wie vor in ihrer Wider­sprüch­lich­keit prägt – zeigt sich, dass der Kampf für Frei­heit immer wie­der in einen Legi­ti­ma­ti­ons­dis­kurs für Herr­schaft umschlägt: bis heu­te enden die Befrei­ungs­ver­su­che in immer neu­en Abhän­gig­keits­ord­nun­gen und For­men der Herrschaft.

Von die­ser Ana­ly­se aus­ge­hend bestimmt Men­ke Frei­heit als Pro­zess der Befrei­ung von sich selbst: Die Art und Wei­se, wie das auto­no­me Sub­jekt sein Kön­nen bil­det, beruht dem­nach selbst auf Pro­zes­sen der Gewöh­nung, die zutiefst unfrei sind. Befrei­ung setzt daher bei einer Erfah­rung an, die wir nicht ver­mö­gend voll­zie­hen, son­dern die uns geschieht und dadurch unver­se­hens aus der knech­ten­den Gewohn­heit reißt. Sie beginnt mit der Fas­zi­na­ti­on. Dies ver­an­schau­licht Men­ke an zwei exem­pla­ri­schen Befrei­ungs­nar­ra­ti­ven: am libe­ra­len, öko­no­mi­schen Frei­heits­kon­zept und der reli­giö­sen Befrei­ung. An ihnen zeigt sich aber auch, dass die Abschaf­fung der durch die Iden­ti­tät der Gewohn­heit beding­ten Knecht­schaft trotz ihres anfäng­li­chen eman­zi­pa­to­ri­schen Gehalts immer an und im Sozia­len scheitert. 

Der Befrei­ungs­pro­zess darf daher bei ihnen nicht ste­hen­blei­ben. Aber durch ihr Schei­tern lässt sich die Befrei­ung noch bes­ser ver­ste­hen: Aus dem Schei­tern der öko­no­mi­schen und der reli­giö­sen Befrei­ung lässt sich ein Begriff radi­ka­ler Befrei­ung gewin­nen. Die­se radi­ka­le Form der Befrei­ung geht aus von einer fas­zi­nie­ren­den (ästhe­ti­schen) Erfah­rung, die uns hin­ter die Ebe­ne siche­rer Urtei­le zurück­wirft und dar­in neu bestimm­bar macht. Sie gilt es zu beja­hen, um in die (poli­ti­sche) Pra­xis der Befrei­ung einzutreten.

Wir spre­chen mit Chris­toph Men­ke über den inter­nen Zusam­men­hang von Frei­heit und Herr­schaft, die in die­sem Wider­spruch grün­den­den Befrei­ungs­mo­del­le und was das mit Kri­ti­scher Theo­rie, der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on und Ästhe­tik zu tun hat.

[2] Sophie Lewis: „Abolish the family. A Manifesto for Care and Liberation“

Don­ners­tag, 27.04.2023 um 19:00 Uhr (s.t.)
Mode­ra­ti­on: Sarah Mühl­ba­cher
Insti­tut für Sozi­al­for­schung (IfS, Sit­zungs­raum I) und per Zoom
Anmel­dung bis 16.04.2023 unter: info@forumkw.de

Die Fami­lie abschaf­fen – in ihrem aktu­el­len Mani­fest for­dert Sophie Lewis, Care-Arbeit und Ver­wandt­schaft neu­zu­er­fin­den. Lewis stellt dabei die schein­ba­re Selbst­ver­ständ­lich­keit, dass die Fami­lie Ort von Sta­bi­li­tät und Glück ist, infra­ge. Viel­mehr sieht sie Fami­lie als eine Not­lö­sung, deren ver­bin­den­de Ein­heit uns zwar im bes­ten Fall vor Schlim­me­rem bewahrt, sich aber auch erst durch die Tat­sa­che struk­tu­rell gewalt­vol­ler und unter­drü­cken­der Ver­hält­nis­se recht­fer­ti­gen kann. Letz­ten Endes ist ‚Blut ist dicker als Was­ser‘ näm­lich eine tren­nen­de und kei­ne ver­ei­nen­de Maxi­me. Die Fra­ge, die sie damit auf­wirft, lau­tet: Was wür­de es hei­ßen, die Fami­lie nicht mehr zu brauchen?

Sophie Lewis zeich­net hier­zu einen Bogen fami­li­en-aboli­tio­nis­ti­scher Ideen von Uto­pis­ten des 18. Jh., vor­ko­lo­nia­len Gesell­schaf­ten und sozia­lis­ti­schen Ansät­ze bis hin zu zeit­ge­nös­si­schen quee­ren Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gun­gen nach. Die Visi­on von Abo­lish the Fami­ly bleibt dabei, die „dis­zi­pli­nie­ren­de, knapp­heits­ba­sier­te Trau­ma-Maschi­ne“ Fami­lie zuguns­ten „eines Reich­tums (…), den wir noch nie gekannt haben und erst struk­tu­rie­ren müs­sen“, aufzugeben.

[3] Marina Martinez Mateo: „Critical Philosophy of Race“

Mitt­woch, 07.06.2023 um 19 Uhr (s.t.)
Casi­no 1.811 (IG-Far­ben-Cam­pus)
Mode­ra­ti­on: Fran­ce­s­ca Raimondi

Wor­um han­delt es sich bei Race und wel­che Rol­le spie­len unse­re Wahr­neh­mung und unser Wis­sen bei ihrer Kon­struk­ti­on? Oder was ist Ras­sis­mus? Die­se Fra­gen beschäf­ti­gen den Rea­der Cri­ti­cal Phi­lo­so­phy of Race, den Mit­her­aus­ge­be­rin Mari­na Mar­ti­nez Mateo im Gespräch mit Fran­ce­s­ca Rai­mon­di am 07.06.2023 vor­stel­len wird.

Das For­schungs­feld der Cri­ti­cal Phi­lo­so­phy of Race ist in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten im US-ame­ri­ka­ni­schen Raum ent­stan­den und steht in direk­ter Tra­di­ti­on der kri­ti­schen Theo­rie.  Sie hat Über­schnei­dungs­punk­te mit den Cri­ti­cal Legal Stu­dies und der Cri­ti­cal Race Theo­ry. Im Rah­men der gesell­schaft­li­chen Dis­kus­sio­nen um Ras­sis­mus adres­siert sie Pro­ble­me der sozia­len und his­to­ri­schen Kon­struk­ti­on von Race, sowie der struk­tu­rel­len und sys­te­mi­schen Natur von ras­sis­ti­scher Kul­tur und Gesellschaft.

Dabei wird Race als Kate­go­rie gefasst, wel­che nicht mate­ri­ell, son­dern per­for­ma­tiv in der Gesell­schaft ent­steht und sozia­le sowie poli­ti­sche Ver­hält­nis­se expli­ziert. Dabei ist der eng­li­sche Begriff Race nicht gleich­zu­setz­ten mit ›Ras­se‹. Ent­ge­gen der ein­deu­tig ras­sis­ti­schen Ver­wen­dung des Begrif­fes Ras­se, ist Race im Kon­text von Aneig­nung und sozi­al­kon­struk­ti­vis­ti­scher Umdeu­tung zu sehen und somit auch von eman­zi­pa­to­ri­scher Natur. Der von Kris­ti­na Lepold und Mari­na Mar­ti­nez Mateo her­aus­ge­ge­be­ne Rea­der nähert sich die­ser, auch im Rah­men von #Black­li­ve­s­mat­ter immer rele­van­ter wer­den­den phi­lo­so­phi­schen Betrach­tung, unter drei Gesichts­punk­ten, die sys­te­ma­tisch in die The­ma­tik ein­füh­ren: Meta­phy­sik, Epis­te­mo­lo­gie und Ethik und Politik.

Zur Aktualität Materialistischer Feminismen

Rei­he mit Work­shops und Vor­trä­gen | Febru­ar – Juli 2022 

Alle Vor­trä­ge der Rei­he fin­det ihr zum Nach­schau­en auf unse­rem You­tube-Kanal.


Die Ver­an­stal­tungs­rei­he hat anhand zeit­ge­nös­si­scher Ansät­ze die Fra­ge ver­han­delt, was eine mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve zur Erschlie­ßung der Gegen­wart bei­tra­gen kann und wes­halb sie den­noch in der gegen­wär­ti­gen Geschlech­ter­for­schung kaum ver­tre­ten scheint. Die Refe­ren­tin­nen haben aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven exem­pla­ri­sche Ein­bli­cke in ihre empi­ri­sche For­schung und Theo­rie­ar­beit gege­ben, um einen Aus­tausch über aktu­el­le Ana­ly­sen und Inter­ven­tio­nen zu öffnen.

Wie kön­nen mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche For­schungs­pra­xen heu­te kon­kret aus­se­hen und wie las­sen sich in ihnen Model­le eman­zi­pa­to­ri­scher Ver­än­de­rung theo­re­tisch verankern?

Gemein­sam mit Kit­chen Poli­tics und Lou Zucker haben wir zudem getrenn­te Work­shops zur inten­si­ve­ren Aus­ein­an­der­set­zung mit Cla­ra Zet­kin und Alex­an­dra Kol­lon­tai durch­ge­führt, die den Kampf für die Befrei­ung der Frau kon­se­quent inter­na­tio­na­lis­tisch als gemein­sa­men Kampf aller Arbeiter:innen gegen die bestehen­den öko­no­mi­schen und sozia­len Herr­schafts­ver­hält­nis­se dach­ten – und damit ers­te Grund­ris­se eines Mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­mus begründeten.

Alle Infos auch auf Face­book.


Pro­gramm


[ 1 ] Eman­zi­pa­ti­on? Ge(ht)schlecht im Kapitalismus! 

17.02.2022- 18:00 | Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Lisa Yas­hod­ha­ra Hal­ler
Mode­ra­ti­on: Sarah Mühlbacher

Alle Infos auch auf Face­book.

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[ 2 ] Alte und neue mate­ria­lis­ti­sche Femi­nis­men: Abgren­zun­gen und Kontinuitäten

10.03.2022- 18:00 | Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Ana­st­as­si­ja Kostan & Luki Schmitz
im Gespräch mit Fran­ce­s­ca Raimondi

Alle Infos auch auf Face­book.
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[ 3 ] Öko­no­mie. Sub­jek­ti­vie­rung. Geschlecht.
Femi­nis­tisch-mate­ria­lis­ti­sche Per­spek­ti­ven in der empi­ri­schen Sozialforschung

07.04.2022 – 18:00 | Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Lisa Hal­ler & Sarah Speck
Mode­ra­ti­on: Chris­ti­na Engelmann

Café KoZ
Mer­ton­stra­ße 26 – 28
Frank­furt am Main

Alle Infos auch auf Face­book.
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[ 4 ] Make femi­nism socia­list again! Grund­ris­se eines Mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­mus im Anschluss an Cla­ra Zetkin

13.05.2022 | Auf­zeich­nung der Veranstaltung

I. Work­shop: 14:00 – 17:30
II. Abend­vor­trag: 19:00

Lou Zucker & Chris­ti­na Engelmann

Stu­die­ren­den­haus / Offe­nes Haus der Kul­tu­ren
Mer­ton­stra­ße 26 – 28
Frank­furt am Main

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[ 5 ] How to Orga­ni­ze Social Repro­duc­tion? Femi­nist Les­sons from Alex­an­dra Kollontai

10.06.2022 | Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung / recording

I. Work­shop: 14:00 – 18:30
In Koope­ra­ti­on mit Kit­chen Politics

II. Abend­vor­trag: 19:00
Kris­ten R. Ghod­see
Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Haug

Stu­die­ren­den­haus / Offe­nes Haus der Kul­tu­ren
Mer­ton­stra­ße 26 – 28
Frank­furt am Main

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[ 6 ] The New Patri­mo­ni­al Power

15.07.2022 – 14:00 | Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung / recording

Melin­da Cooper

Online-Lec­tu­re (in English)



Vor­trä­ge & Workshops

( Details )


[ 1 ] Eman­zi­pa­ti­on? Ge(ht)schlecht im Kapitalismus!

Don­ners­tag, 17.02.2022 | Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung
Lisa Yas­hod­ha­ra Hal­ler und Sarah Mühlbacher

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Im Zen­trum femi­nis­ti­scher Mate­ria­lis­men steht die Fra­ge, wie die kapi­ta­lis­ti­sche Wirt­schafts­wei­se sozia­le Ver­hält­nis­se formt, unter denen Men­schen bezüg­lich ihrer Arbeits­tei­lung – und der auf sie aus­ge­rich­te­ten Geschlech­ter­be­zie­hun­gen – immer wie­der aufs Neue in Kon­flik­te gera­ten. Auch wenn Men­schen für ihr Zusam­men­le­ben zuneh­mend ver­än­der­te For­men wäh­len, zeigt unter ande­rem die anhal­ten­de Dis­kus­si­on um das soge­nann­te „Ver­ein­bar­keits­di­lem­ma“, dass die Ver­wer­tungs­lo­gik des Kapi­tals tief in lebens­welt­li­che Ent­schei­dun­gen und Sozi­al­ver­hält­nis­se hin­ein­wirkt, ihnen aus einer mate­ria­lis­ti­schen Per­spek­ti­ve gar eigen erscheint. Offen­sicht­lich hängt die anhal­tend vor­herr­schen­de Geschlecht­er­ord­nung mit der Struk­tur­lo­gik des Kapi­tals zusam­men. Denn es wird wohl kaum Zufall sein, dass gera­de jene Tätig­kei­ten mehr­heit­lich von Frau­en ver­rich­tet wer­den, die inner­halb der herr­schen­den Wirt­schafts­ord­nung in den pri­va­ten Bereich ver­la­gert sind. Hier zeigt sich auch in Mit­tel­eu­ro­pa eine beein­dru­cken­de his­to­ri­sche Kon­ti­nui­tät, die sich in ähn­li­cher Wei­se in allen sozia­len Milieus fest­stel­len lässt. Aus die­ser Per­spek­ti­ve lässt sich in aktu­el­len Debat­ten eine selt­sam anmu­ten­de Front­stel­lung beob­ach­ten: Auf der einen Sei­te libe­ra­le Femi­nis­men, die durch ihre Ver­leug­nung not­wen­di­ger Für­sor­ge weib­li­che „Frei­heit“ zu demons­trie­ren ver­su­chen. Auf der ande­ren Sei­te kon­ser­va­ti­ve Femi­nis­men, die für eine Auf­wer­tung eben die­ser Für­sor­ge kämp­fen, teils getra­gen von Essen­tia­li­sie­rungs­phan­ta­sien. Inwie-fern ver­deut­licht dies, dass eine Eman­zi­pa­ti­on unter den Vor­zei­chen der kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts-wei­se zumin­dest eine ganz beson­ders gro­ße Her­aus­for­de­rung dar­zu­stel­len scheint?

Weil Frei­heit erst dann ent­steht, wenn Men­schen ver­bind­li­che Für­sor­ge­ver­ant­wor­tung für­ein­an­der über­neh­men, möch­ten wir gemein­sam mit Lisa Yas­hod­ha­ra Hal­ler einen gesell­schafts­kri­ti­schen Blick auf die Ver­mitt­lungs­zu­sam­men­hän­ge zwi­schen Staat, Geschlecht und Kapi­tal wer­fen. In ihrem Vor­trag wird sie die­se Zusam­men­hän­ge ver­deut­li­chen und auf­zei­gen, wie die Bear­bei­tung des kapi­ta­lis­ti­schen Struk-tur­pro­blems durch den Staat erfolgt, der die­ses sei­ner­seits nicht löst, son­dern mit­tels staat­li­cher Steue-rungs­in­stru­men­te in den Bereich der ver­meint­lich pri­va­ten Paar­be­zie­hung verlagert.


[ 2 ] Alte und neue mate­ria­lis­ti­sche Femi­nis­men: Abgren­zun­gen und Kontinuitäten

10.03.2022 – 18:00 | Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Ana­st­as­si­ja Kostan & Luki Schmitz
im Gespräch mit Fran­ce­s­ca Rai­mon­di
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Die Begrif­fe ‚alt‘ und ‚neu‘ legen eine zeit­li­che Abfol­ge femi­nis­ti­scher Mate­ria­lis­men nahe, bei der letz­te­re ers­te­re ablö­sen. Gegen­über die­ser gän­gi­gen Les­art wer­den Ana­st­as­si­ja Kostan und Luki Schmitz im Gespräch mit Fran­ce­s­ca Rai­mon­di auf­zei­gen, inwie­fern die ‚neu­en‘ mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­men die ‚alten‘ kei­nes­falls ersetzt oder unbrauch­bar gemacht haben. Viel­mehr las­sen sich Ver­schie­bun­gen hin­sicht­lich der jewei­li­gen Per­spek­ti­ven femi­nis­ti­scher Mate­ria­lis­men in Fol­ge wis­sen­schaft­li­cher Turns und Bin­nen-Kri­ti­ken beob­ach­ten: Ende der 1960iger Jah­re und im Zuge der zwei­ten Frau­en­be­we­gung adres­sier­ten mate­ria­lis­ti­sche Femi­nis­men die Bedeu­tung von unbe­zahl­ter, unsicht­ba­rer und struk­tu­rell abge­wer­te­ter Haus- und Für­sor­ge­ar­beit. Es galt, die­se meis­tens von Frau­en* geleis­te­te „Repro­duk­ti­ons­ar­beit“ als für die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­on und Mehr­wert­bil­dung unab­ding­bar kennt­lich zu machen. Nebst der Kri­tik an der Aus­beu­tung ‚sekun­dä­rer‘ Arbeits­kraft, wur­den ideo­lo­gisch-bio­lo­gis­ti­sche Denk­wei­sen zwar hin­ter­fragt, teils jedoch durch ent­spre­chen­de Debat­ten auch repro­du­ziert. Dar­an anknüp­fend mobi­li­sie­ren die ‚neu­en‘ mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­men eine ver­än­der­te Auf­fas­sung von Bio­lo­gie und (kör­per­li­cher) Mate­ria­li­tät: Sie adres­sie­ren spe­zi­fi­sche Macht- und Domi­nanz­ver­hält­nis­se als Ergeb­nis mate­ri­ell-dis­kur­si­ver Rela­tio­nen, in denen sich Gesell­schaft­li­ches, Natür­li­ches und Tech­ni­sches dyna­misch ver­schrän­ken. Die­se jün­ge­ren mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­men dezen­trie­ren mensch­li­che Hand­lungs­macht vor dem Hin­ter­grund ver­schie­dens­ter mate­ri­el­ler Vor­aus­set­zun­gen des Sozialen.

Was bedeu­tet es aber, dass die­ses Sozia­le nun­mehr als unhin­ter­geh­bar und vom mul­ti­plen und sich über­lap­pen­den Zusam­men-Wir­ken nicht­mensch­li­cher Lebe­we­sen, Din­gen und Kräf­ten ange­se­hen wird? Inwie­weit lässt das Spek­trum femi­nis­ti­scher Mate­ria­lis­men die ‚alten‘ und ‚neu­en‘ Per­spek­ti­ven als ver­schie­de­ne For­men der Gegen­warts­kri­tik mit jeweils spe­zi­fi­schen Fokus­sie­run­gen auf sozia­le und öko­no­mi­sche Herr­schafts­ver­hält­nis­se, Wis­sens­for­men und Epis­te­men hervortreten?

Im Rah­men der Ver­an­stal­tung wer­den Ana­st­as­si­ja Kostan und Luki Schmitz einen schlag­licht­ar­ti­gen Über­blick über eini­ge Kern­aspek­te ‚alter‘ und ‚neu­er‘ mate­ria­lis­ti­scher Femi­nis­men geben, die sie aktu­ell unter­su­chen. In einem gemein­sa­men Gespräch mit Fran­ce­s­ca Rai­mon­di wer­den sie dann über Abgren­zun­gen, aber auch Kon­ti­nui­tä­ten zwi­schen den älte­ren und jün­ge­ren Theo­rie­strö­mun­gen femi­nis­ti­scher Mate­ria­lis­men diskutieren.


[ 3 ] Öko­no­mie. Sub­jek­ti­vie­rung. Geschlecht.
Femi­nis­tisch-mate­ria­lis­ti­sche Per­spek­ti­ven in der empi­ri­schen Sozialforschung

07.04.2022 – 18:00 | Prä­senz-Ver­an­stal­tung (Café KoZ) -> Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Lisa Yas­hod­ha­ra Hal­ler & Sarah Speck
Mode­ra­ti­on: Chris­ti­na Engelmann

Alle Infos auch auf Face­book.

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Wir leben in Zei­ten, in denen sich das, was man gemein­hin als kapi­ta­lis­ti­sche Ver­wer­tungs­lo­gik begreift, nahe­zu voll­stän­dig ver­all­ge­mei­nert hat. Sie struk­tu­riert viel mehr als nur die Erwerbs­sphä­re, eine Grenz­zie­hung zum Pri­va­ten ist oft schwer. Freun­din­nen, Fami­lie, Poli­tik und Arbeit bil­den das moder­ne Kon­glo­me­rat der Selbst­ver­wirk­li­chung und ver­spre­chen Glück – sofern wir es schaf­fen, alle Berei­che aus­rei­chend zu bedie­nen, also effi­zi­ent zu koor­di­nie­ren und zu gestal­ten. Damit sind wir sehr beschäf­tigt und schimp­fen gleich­zei­tig über unser Wirt­schafts­sys­tem, den Kapi­ta­lis­mus, der uns all das antut.

Die Kri­tik am Kapi­ta­lis­mus scheint zeit­ge­mäß, sie ist all­täg­lich und all­ge­mein akzep­tiert. Wir kri­ti­sie­ren ihn beim Piz­za­es­sen in der Mit­tags­pau­se, wir lesen zwi­schen­drin dar­über in den Social Media, dis­ku­tie­ren abends beim Date oder mor­gens bei der Vor­le­sung an der Uni­ver­si­tät. Wie das Reden übers Wet­ter ist Kapi­ta­lis­mus­kri­tik ein unver­fäng­li­ches Gesprächs­the­ma. Und wie das Wet­ter erscheint die kapi­ta­lis­ti­sche Ver­wer­tungs­lo­gik als ver­nünf­tigs­tes Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zip aller Lebens­be­rei­che ohne­hin unan­tast­bar.

Je weni­ger aber die öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se gestalt­bar erschei­nen, des­to wich­ti­ger wird die Bestä­ti­gung der eige­nen Hand­lungs­fä­hig­keit im Ange­sicht der schein­bar über­wäl­ti­gen­den Ohn­macht gegen­über den grö­ße­ren Zusam­men­hän­gen. Mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ven haben vor die­sem Hin­ter­grund in jün­ge­rer Zeit in Theo­rie­de­bat­ten neue Auf­merk­sam­keit erfah­ren. In empi­ri­scher Sozi­al­for­schung sind sie aller­dings wei­ter­hin eher marginal.

Hier neh­men Lisa Yas­hod­ha­ra Hal­ler und Sarah Speck den Aus­gang für ihr Gespräch, in dem sie sich mit mate­ria­lis­ti­schen Per­spek­ti­ven der Gegen­wart aus­ein­an­der­set­zen und Ent­wick­lun­gen und Desi­de­ra­te inner­halb der aktu­el­len Geschlech­ter­for­schung dis­ku­tie­ren. Aus­ge­hend von ihren Stu­di­en nähern sie sich dabei der Fra­ge, wel­che Dimen­sio­nen der empi­ri­schen Ana­ly­se eine mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve umfasst, und ver­han­deln die Bedin­gun­gen der Mög­lich­keit gesell­schaft­li­cher Emanzipation.


[ 4 ] Make femi­nism socia­list again! Grund­ris­se eines Mate­ria­lis­ti­schen Femi­nis­mus im Anschluss an Cla­ra Zetkin

13.05.2022 | Präsenz-Veranstaltung

I. Work­shop: 14:00 – 18:00 (K4 | Stu­die­ren­den­haus)
II. Abend­vor­trag: 19:00 (Café KoZ) -> Auf­zeich­nung der Veranstaltung

Lou Zucker & Chris­ti­na Engelmann


Wir kön­nen Cla­ra Zet­kin als Vor­bild neh­men, um uns gegen anti­fe­mi­nis­ti­sche Män­ner in unse­ren eige­nen Rei­hen auf­zu­leh­nen, uns mit ande­ren Frau­en zu ver­bün­den, inter­na­tio­na­le femi­nis­ti­sche Bünd­nis­se zu schmie­den und Faschis­mus früh­zei­tig zu erkennen.“

(Lou Zucker in „Cla­ra Zet­kin – Eine rote Feministin“)


Femi­nis­mus ist heu­te so popu­lär wie nie zuvor, doch dies hat bis­lang nur wenig dazu bei­getra­gen, die Lebens­ver­hält­nis­se von Frau­en zu ver­bes­sern. So fügt sich der aktu­el­le femi­nis­ti­sche Trend nahe­zu rei­bungs­los der kapi­ta­lis­ti­schen Ver­wer­tungs­lo­gik: gen­der­ge­rech­te Spra­che dient Unter­neh­men als hip­pe Ver­mark­tungs­stra­te­gie und in den Kauf­häu­sern wer­den „Power to the Girls“-Shirts als Ware feil­ge­bo­ten – wäh­rend die Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen der aller­meis­ten Arbei­te­rin­nen welt­weit nach wie vor erdrü­ckend schlecht sind. Vor die­sem Hin­ter­grund wer­den wir zusam­men mit der Jour­na­lis­tin und Akti­vis­tin Lou Zucker eine der Vor­den­ke­rin­nen und Vor­kämp­fe­rin­nen der Inter­na­tio­na­len Frau­en­be­we­gung in den Blick neh­men, die die Frei­heit der Frau bedin­gungs­los an die Frei­heit aller Aus­ge­beu­te­ten knüpf­te: die kom­mu­nis­ti­sche Femi­nis­tin Cla­ra Zet­kin (1857 – 1933).

Als revo­lu­tio­nä­re Sozia­lis­tin und Kom­mu­nis­tin trat Cla­ra Zet­kin ent­schie­den für die Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en ein und initi­ier­te gegen den Wil­len ihrer männ­li­chen Genos­sen die Ein­füh­rung des Inter­na­tio­na­len Frau­en­ta­ges am 8. März. Den bür­ger­li­chen Femi­nis­tin­nen hielt sie dabei ent­ge­gen, dass Eman­zi­pa­ti­on nur als gemein­sa­mes Unter­fan­gen aller Arbeiter:innen gegen kapi­ta­lis­ti­sche Herr­schaft erkämpft wer­den kann. Im Rah­men der Ver­an­stal­tung wer­den wir dis­ku­tie­ren, was Feminist:innen heu­te noch von Cla­ra Zet­kin ler­nen kön­nen. Zet­kin steht zum einen für einen Femi­nis­mus, der die sozia­len Ver­hält­nis­se in den Blick nimmt, durch die Frau­en unter­drückt wer­den. In die­sem Sin­ne ist ihre femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve anti­ka­pi­ta­lis­tisch: sie impli­ziert eine Kri­tik an Struk­tu­ren, in denen Men­schen nicht in frei­er Ent­schei­dung über die Gestal­tung ihres Zusam­men­le­bens ent­schei­den kön­nen, son­dern dies eini­gen weni­gen Akteu­ren vor­be­hal­ten bleibt, die über die erfor­der­li­che sozia­le und öko­no­mi­sche Macht­po­si­ti­on ver­fü­gen. Die mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve knüpft dabei an die kon­kre­ten Lebens­ver­hält­nis­se der pro­le­ta­ri­schen Frau­en an, nimmt ihre prak­ti­schen Pro­ble­me und mate­ri­el­len Sor­gen ernst und ver­sucht, die Frau­en auf die­se Wei­se für den Kampf um ein bes­se­res Leben für alle zu mobi­li­sie­ren. Der Femi­nis­mus Zet­kins ist aus die­sem Grund dar­über hin­aus inter­na­tio­na­lis­tisch: Eman­zi­pa­ti­on von kapi­ta­lis­ti­scher Herr­schaft kann dem­nach nur trans­na­tio­nal in Form von soli­da­ri­schen Kämp­fen welt­weit für ein Sys­tem ohne Aus­beu­tung gelin­gen. Ent­spre­chend hat sich Zet­kin als Poli­ti­ke­rin mit sozia­lis­ti­schen Frau­en ande­rer Län­der ver­bün­det, um sich kol­lek­tiv für die Rech­te der Frau­en und gegen Krieg und Kolo­nia­lis­mus einzusetzen.

Im Work­shop wer­den wir anhand von Reden und kür­ze­ren Schrif­ten Zet­kins die Fra­ge ver­han­deln, was eine mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve aus­zeich­net und wie hier der Kampf für die Befrei­ung der Frau mit einer Kri­tik an kapi­ta­lis­ti­scher Ver­ge­sell­schaf­tung zusam­men­ge­dacht wird. Dabei wer­den wir uns näher anse­hen, aus wel­cher Per­spek­ti­ve Zet­kin die Fra­ge der Frau­en­ar­beit stellt: Ihr zufol­ge ist die Eman­zi­pa­ti­on von Frau­en, ihre sozia­le und poli­ti­sche Gleich­stel­lung, nur mög­lich, wenn die­se auch öko­no­misch unab­hän­gig sind, was inner­halb der herr­schen­den Gesell­schafts­kon­stel­la­ti­on in ers­ter Linie durch die Lohn­ar­beit außer­halb der Fami­lie ermög­licht wird. Gleich­zei­tig sieht Zet­kin, dass sich die Frau­en unter Bedin­gun­gen kapi­ta­lis­ti­scher Waren­pro­duk­ti­on jedoch nur einer ande­ren Herr­schaft – der des Kapi­tals – unter­wer­fen. In die­sem Zusam­men­hang wer­den wir uns anse­hen, wie die erhöh­te Kon­kur­renz unter den Arbeiter:innen infol­ge der stei­gen­den Berufs­tä­tig­keit von Frau­en den Wider­spruch im Inter­es­se von Kapi­tal und Arbeit auf Gegen­sät­ze zwi­schen den Inter­es­sen der Arbei­ter und der Arbei­te­rin­nen pro­ji­ziert und so soli­da­ri­sche Kämp­fe unter­mi­niert werden.

Im zwei­ten Teil des Work­shops wer­den wir das Ver­hält­nis von pro­le­ta­ri­schem Femi­nis­mus und Anti-Kriegs-Akti­vis­mus in den Blick neh­men. In Cla­ra Zet­kins poli­ti­schem Wir­ken ver­bin­det sich das Enga­ge­ment für die öko­no­mi­sche, sozia­le und poli­ti­sche Gleich­stel­lung von Frau­en mit einem ent­schie­de­nen Kampf gegen Faschis­mus und Krieg. Auf der Sozia­lis­ti­schen Frau­en­kon­fe­renz in Kopen­ha­gen 1910 brach­te sie nicht nur den Beschluss zur Ein­füh­rung eines Inter­na­tio­na­len Frau­en­tags ein, son­dern auf Ihre Initia­ti­ve hin wur­de auch eine Reso­lu­ti­on zum Kampf der pro­le­ta­ri­schen Frau­en um den Frie­den ver­ab­schie­det. Und wäh­rend nach und nach auch nahe­zu alle sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en Euro­pas für den Ers­ten Welt­krieg stimm­ten, orga­ni­sier­te Cla­ra Zet­kin im März 1915 die ers­te „Inter­na­tio­na­le Frau­en­kon­fe­renz für Frie­den“ in Bern. Schon früh warn­te sie vor dem Faschis­mus in Ita­li­en unter Mus­so­li­ni und zeig­te in ihrer Rede „Der Kampf gegen den Faschis­mus“ von 1923 auf, dass wir hier mit einem inter­na­tio­na­len Pro­blem kon­fron­tiert wer­den, das sich nur durch eine Ein­heits­front aller Werk­tä­ti­gen für den Frie­den bekämp­fen lässt.

Im Rah­men des Abend­vor­trags wird Lou Zucker ihren Band „Cla­ra Zet­kin – Eine rote Femi­nis­tin“ vor­stel­len und dabei, unter­stützt von ein­zel­nen gele­se­nen Pas­sa­gen, in Zet­kins Leben ein­füh­ren. Die­ses war geprägt von chro­ni­scher Krank­heit, Ver­lust und Arbeits­sucht, aber auch von tie­fen Freund:innenschaften, Rei­sen, sozia­lis­ti­schen Haus­par­tys und natür­lich ihrem lei­den­schaft­li­chen Kampf für Sozia­lis­mus und Frau­en­be­frei­ung. Für eine Frau ihrer Zeit war es in jedem Fall mehr als unty­pisch. Dar­über hin­aus stellt Lou Zucker die Fra­ge, was Femi­nis­mus heu­te von Cla­ra Zet­kin ler­nen kann und gibt dazu einen Über­blick über zen­tra­le Punk­te ihres Den­kens und Wirkens.

Die Ver­an­stal­tung fin­det in Koope­ra­ti­on mit dem DFG-Pro­jekt „Cla­ra Zet­kins päd­ago­gi­sches und bil­dungs­po­li­ti­sches Wir­ken in der Sowjet­uni­on“ an der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gie­ßen statt.


[ 5 ] How to Orga­ni­ze Social Repro­duc­tion? Femi­nist Les­sons from Alex­an­dra Kollontai

10.06.2022 | Präsenz-Veranstaltung

I. Work­shop: 14:00 – 17:30 (Anmel­dung geschlossen) 

mit Dar­ja Klin­gen­berg und Sarah Speck von und für Kit­chen Poli­tics.

(inkl. Abend­essen & Bücher­tisch)


IILec­tu­re (Eng­lish): 19:00 – Café KoZ -> Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung / recording

Kris­ten R. Ghod­see
Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Haug


I. Work­shop

Wel­che Rol­le wür­de die Fami­lie im Kom­mu­nis­mus haben, fragt Alex­an­dra Kol­lon­tai in einem Auf­satz von 1917. Die­ser und ande­re Tex­te der vor 150 Jah­ren gebo­re­nen Kol­lon­tai ste­hen in der Tra­di­ti­on mate­ria­lis­ti­scher Uto­pien der femi­nis­ti­schen Bewe­gun­gen des Anfangs des 20. Jahr­hun­derts. Die­se setz­ten in ihren radi­ka­len und zugleich sehr prag­ma­ti­schen Ent­wür­fen vor allem an der Ver­än­de­rung des All­tags an –  an der Gestal­tung von Woh­nun­gen, Kin­der­ta­ges­stät­ten, der Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung: Wie sol­len wir lie­ben, Kin­der erzie­hen, abwa­schen und wohnen? 

Im Work­shop dis­ku­tie­ren wir Kol­lon­tais Vor­schlä­ge und bet­ten sie ideen­ge­schicht­lich in die Debat­ten femi­nis­ti­scher Kämp­fe und die Poli­ti­ken des real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus ein. Wor­an und wie schei­ter­ten sie? Wie bli­cken wir heu­te auf das ambi­va­len­te Erbe? Wel­che Anknüp­fungs­punk­te bie­ten die­se Ent­wür­fe für eine inter­sek­tio­nal infor­mier­te mate­ria­lis­tisch-femi­nis­ti­sche Poli­tik des 21. Jahrhunderts?

https://www.facebook.com/events/1142324459669001


II. Lec­tu­re (Eng­lish)

Alex­an­dra Kol­lon­tai (1872 – 1952) was a socia­list women’s acti­vist who had radi­cal ide­as about the inter­sec­tions of socia­lism and women’s eman­ci­pa­ti­on. Born into aris­to­cra­tic pri­vi­le­ge, the Rus­si­an Kol­lon­tai was initi­al­ly a mem­ber of the Mens­he­viks befo­re she joi­n­ed Lenin and the Bols­he­viks and beca­me an important revo­lu­tio­na­ry figu­re during the 1917 Octo­ber Revo­lu­ti­on. Kol­lon­tai was a socia­list theo­rist of women’s eman­ci­pa­ti­on and a strident pro­po­nent of sexu­al rela­ti­ons freed from all eco­no­mic considerations. 

After the Octo­ber Revo­lu­ti­on, Kol­lon­tai beca­me the Com­mis­sar of Social Wel­fa­re and hel­ped to found the Zhe­not­del (the women’s sec­tion of the Com­mu­nist Par­ty). She over­saw a wide varie­ty of legal reforms and public poli­ci­es to help libe­ra­te working women and to crea­te the basis of a new socia­list sexu­al mora­li­ty. But Rus­si­ans were not rea­dy for her visi­on of eman­ci­pa­ti­on, and she was sent away to Nor­way to ser­ve as the first Rus­si­an fema­le ambassa­dor (and only the third fema­le ambassa­dor in the world). 

This Lec­tu­re reviews the life and work of Alex­an­dra Kol­lon­tai, pro­vi­ding an intro­duc­tion for her uni­que theo­ries to decou­ple roman­tic attach­ment from social repro­duc­tion by radi­cal­ly expan­ding the role of the sta­te and encou­ra­ging the deve­lo­p­ment of “com­ra­de­ly-love.”

https://www.facebook.com/events/5223037574455398


[ 6 ] The New Patri­mo­ni­al Power

15.07.2022 – 14:00 | Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung / recording

Melin­da Cooper

The fami­ly office was until recent­ly a mar­gi­nal orga­niza­tio­nal form in Ame­ri­can capi­ta­lism, long sin­ce made red­un­dant, it was assu­med, by the modern “demo­cra­tic” struc­tures of the public cor­po­ra­ti­on and the divi­ded respon­si­bi­li­ties of mana­ge­ri­al capi­ta­lism. Busi­ness his­to­ri­ans such as Alfred Chand­ler rou­ti­ne­ly dis­missed the fami­li­al form of busi­ness manage­ment as an archaism and impe­di­ment to indus­tri­al pro­gress — bet­ter ser­ved, it was thought, by the sepa­ra­ti­on of powers and dis­tri­bu­ted owner­ship of the publicly traded corporation.

Max Weber, for his part, thought that the clas­sic form of patri­mo­ni­al power had been dis­pla­ced (though per­haps not defi­ni­tively) by the rise of modern bureau­cra­tic forms of aut­ho­ri­ty. The­se theo­rists could hard­ly have anti­ci­pa­ted the mul­ti­ple chal­lenges that would con­front the public cor­po­ra­ti­on in the late twen­tieth cen­tu­ry, much less the resur­gence of an orga­niza­tio­nal form — the pri­va­te­ly-held fami­ly enter­pri­se — which they con­side­red a relic of the past.

This last lec­tu­re of your series focu­ses on the spec­ta­cu­lar rise of the “sin­gle fami­ly office,” an enti­ty that now com­pe­tes with the pri­va­te equi­ty firm in sca­le and dis­rup­ti­ve impact. It explo­res the the­sis that we are curr­ent­ly wit­nessing a strugg­le bet­ween mana­ge­ri­al capi­ta­lism, embo­di­ed in the publicly traded cor­po­ra­ti­on, and a resur­gent form of pri­va­te, unin­cor­po­ra­ted, and incre­asing­ly dynastic capitalism.

The sym­bio­tic rela­ti­onship bet­ween dynasts such as the Trumps, Mer­cers, and DeVo­ses, on the one hand, and small fami­ly busi­nesses on the other shed con­sidera­ble light on the dyna­mics of today’s far-right. In par­ti­cu­lar, it helps explain the con­ver­gence bet­ween a par­ti­cu­lar style of eco­no­mic orga­niza­ti­on, one focu­sed on asset pri­ce app­re­cia­ti­on and capi­tal gains, and a far-right poli­tics of the fami­ly — in which nati­vism, nata­lism, and hosti­li­ty to gen­der non-con­for­mi­ty all play a cen­tral role.

Juvenile Radikalisierung – Dschihadismus in Deutschland

Online-Ver­an­stal­tung ( Auf­zeich­nung bei You­Tube )

Mon­tag, 24.01.2022 | 18:00

Als sich der kata­stro­pha­le Abzug der Bun­des­wehr aus Afgha­ni­stan abzeich­ne­te, schien die poli­ti­sche Rai­son schnell klar: 2015 dür­fe sich nicht wie­der­ho­len. Gemeint war damit nicht nur der Zuzug von Schutz­su­chen­den, son­dern ins­be­son­de­re die ‚Infil­tra­ti­on‘ west­li­cher Gesell­schaf­ten durch ‚äuße­re Fein­de‘ – ‚dschi­ha­dis­ti­sche Kämp­fer‘, die sich auf den Weg nach Deutsch­land machen könn­ten. Dabei wei­sen vie­le der hier­zu­lan­de ver­üb­ten Anschlä­ge auf die zen­tra­le Bedeu­tung in Deutsch­land statt­fin­den­der Pro­zes­se hin, die sich im kon­kre­ten gesell­schaft­li­chen Set­ting der Bun­des­re­pu­blik vollziehen.

In den vor­herr­schen­den Deu­tungs­mus­tern der­ar­ti­ger Phä­no­me­ne wird auf­fäl­lig viel von Reli­gi­on und Theo­lo­gie, Kul­tur und Iden­ti­tät gespro­chen, wenig aber von sozia­len und geo­gra­fi­schen Räu­men, kon­kre­ten Lebens­wel­ten und den tat­säch­li­chen gesell­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen. Der Dschi­ha­dis­mus erscheint somit als ‚extre­me Gegen­kul­tur‘, die der libe­ra­len Demo­kra­tie als Anti-The­se äußer­lich gegen­über­ge­stellt wird. Doch kann die­se ein­fa­che Front­stel­lung zwi­schen ‚radi­ka­ler Bewe­gung‘ und ‚gesell­schaft­li­cher Ord­nung‘ die sozio­kul­tu­rel­le, gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Ver­or­tung der dschi­ha­dis­ti­schen Sub­kul­tu­ren ange­mes­sen greifen? 

Um die Gene­se die­ser Bewe­gun­gen, die sich selbst in eine spe­zi­fi­sche Bezie­hung zu den bestehen­den gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen set­zen, genau­er in den Blick zu neh­men, möch­ten wir mit Mel­tem Kula­ça­tan und Felix Roß­meißl die Fra­ge erör­tern, was in Deutsch­land leben­de jun­ge Män­ner und Frau­en in den Dschi­ha­dis­mus führt und wel­che Rol­le hier­bei Dyna­mi­ken sozia­ler Segre­ga­ti­on und unter­schied­li­che For­men struk­tu­rel­ler Exklu­si­on spielen.

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Mon­tag, 24.01.2022 | 18:00
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Alle Infos hier und auf Face­book

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Mel­tem Kula­ça­tan arbei­tet zu reli­giö­sen Selbst­ent­wür­fen jun­ger Mus­li­min­nen in päd­ago­gi­schen Hand­lungs­fel­dern und hat unter ande­rem zu Geschlech­ter­dis­kur­sen in der tür­kisch-deut­schen Pres­se in Euro­pa sowie zu Ursa­chen und Gegen­stra­te­gien isla­mis­ti­scher Radi­ka­li­sie­rung im Rhein-Main-Gebiet publiziert. 

Felix Roß­meißl beschäf­tigt sich mit den Wegen, die jun­ge Män­ner in den Dschi­ha­dis­mus füh­ren und hat unter ande­rem zu Facet­ten kri­tisch-refle­xi­ver Wis­sens­pro­duk­ti­on sowie zur Kri­tik gän­gi­ger Erklä­rungs­mus­ter des west­li­chen Dschi­ha­dis­mus publiziert.

(Ein Kli­cken auf das Bild führt Euch zur Auf­nah­me des Streams)

Philosophie, Politik & Subjektivität heute

Ver­an­stal­tung am 29. Novem­ber 2019

Seit einem Jahr die Gilets Jau­nes in Frank­reich, die aktu­el­len Ereig­nis­se im Liba­non und in Chi­le auf der einen Sei­te. Die kürz­li­che deutsch­spra­chi­ge Ver­öf­fent­li­chung eines Buchs, das vor 25 Jah­ren in Frank­reich unter dem Titel _Anthropologie du nom_erschienen ist, auf der ande­ren – lässt sich das eine im Lich­te des ande­ren betrachten?

Anfang der 1990er Jah­re leg­te das Buch ein ers­tes Resü­mee einer spe­zi­fi­schen poli­ti­schen Erfah­rung des Frank­reichs der 1970er und 1980er Jah­re vor: die­se mün­det in der For­mu­lie­rung einer Unter­su­chungs­form die von der ein­fach anmu­ten­den Aus­sa­ge aus­geht, dass die Leu­te denken.

Unter Hin­zu­nah­me der Hypo­the­se, dass es eine Poli­tik gibt, die sich im Ele­ment die­ses Den­kens ent­fal­tet, lässt sich eine metho­disch infor­mier­te Per­spek­ti­ve auf die damals aktu­el­le wie die ver­gan­ge­nen Poli­ti­ken ein­neh­men. Auf­grund der Tat­sa­che, dass man es dabei mit einem Den­ken der Poli­tik zu tun hat, gilt es, die Aus­sa­gen der poli­ti­schen Akteu­re für sich selbst genom­men, d.h. in ihrer Buch­stäb­lich­keit, zu betrach­ten. Wor­in besteht die Aktua­li­tät die­ses Ansat­zes ange­sichts der aktu­el­len poli­ti­schen Situa­ti­on? Dar­über möch­ten wir gemein­sam mit dem Autor, Syl­vain Laza­rus, dem Phi­lo­so­phen Frank Ruda und Euch bzw. Ihnen diskutieren.

Um in die Dis­kus­si­on die­ser Fra­ge ein­zu­lei­ten, wer­den die bei­den Über­set­zer der deutsch­spra­chi­gen Aus­ga­be, Clé­ment Dré­a­no und Moritz Herr­mann, über die Arbeit an der Über­set­zung und eini­ge Grund­zü­ge des Buchs spre­chen. Dabei wer­den sie ins­be­son­de­re auf Laza­rus‘ Vor­ge­hens­wei­se und des­sen grund­le­gen­den Aus­sa­gen eingehen: 

_Die Leute_denken _und _Das Den­ken ist Ver­hält­nis des Realen_. Wie tritt die mög­li­che Unter­su­chung der Poli­tik zu die­sen zwei Aus­sa­gen hin­zu bzw. wel­che poli­ti­schen Über­le­gun­gen lie­gen sei­ner­seits der For­mu­lie­rung die­ser zwei Aus­sa­gen zugrunde?

In unmit­tel­ba­rem Bezug auf die mög­li­che Aktua­li­tät des Buchs wird dar­auf­hin der Autor, Syl­vain Laza­rus, selbst das Wort ergrei­fen. Das Erschei­nen der _Gilets Jau­nes _jährt sich in die­sem Monat und prägt wei­ter­hin die poli­ti­sche Situa­ti­on in Frank­reich. In enger Beglei­tung ihrer Poli­tik kon­fron­tiert er sich und sei­ne Vor­ge­hens­wei­se mit dem, was dort pas­siert. Er wird erläu­tern, wie sich die­ses Phä­no­men aus sei­ner Per­spek­ti­ve her­aus dar­stellt und inwie­fern es ihn wie jeden ein­zel­nen in Frank­reich dazu zwingt, sei­ne oder ihre Begriff­lich­kei­ten zu über­den­ken. Kurz gesagt ist die Fra­ge: Was ist die Neu­heit der _Gilets

Jaunes_ und was ihre Poli­tik, sofern wir von einer spre­chen kön­nen? Aus­ge­hend von wel­chen Wor­ten oder Namen müs­sen wir die­se Fra­ge stel­len? In einem abschlie­ßen­den Vor­trag wird Frank Ruda dem Ver­hält­nis von Poli­tik und Phi­lo­so­phie nach­ge­hen. Inwie­fern lässt sich die Poli­tik in ihren sin­gu­lä­ren Mani­fes­ta­tio­nen phi­lo­so­phisch erfas­sen und wel­che mit­un­ter unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven erge­ben sich dabei auf die Poli­tik selbst? Wie ist genau­er das zu begrei­fen, was Laza­rus die _Sättigungsmethode _nennt, d.h. eine spe­zi­fi­sche Bezug­nah­me eines Den­kens auf ein ande­res, einer Poli­tik auf eine ande­re? Inwie­fern ist es poli­tisch, phi­lo­so­phisch und intel­lek­tu­ell rele­vant, auf eine solch imma­nen­te Wei­se vorzugehen?

Im Anschluss dar­an wird es Raum für eine Dis­kus­si­on geben. Der Vor­trag von Syl­vain Laza­rus wird alter­nie­rend in fran­zö­si­scher und deut­scher Spra­che, der von Frank Ruda auf Eng­lisch gehal­ten. Bei der Dis­kus­si­on wird eine Über­set­zung gestellt.

Den Link zur deut­schen Über­set­zung fin­det ihr hier.

SYLVAIN LAZARUS

PHILOSOPHIE, POLITIK & SUBJEKTIVITÄT HEUTE

INSTITUT FÜR SOZIALFORSCHUNG, SITZUNGSRAUM I (PARTERRE)

29. NOVEMBER 2019: 18.15 – 21.45 UHR

ZEITPLAN

18.15 – 18.45 CLÉMENT DRÉANO & MORITZ HERRMANN:

Ein­lei­ten­de Wor­te zur Ver­an­stal­tung und zur Übersetzung

18.45 – 19.30 SYLVAIN LAZARUS

_L’Anthropologie du nom peut-elle mett­re un Gilet Jau­ne? _/ _Kann die Anthro­po­lo­gie des Namens eine Gelb­wes­te tragen?_ (Vor­trag in fran­zö­si­scher und deut­scher Sprache)

19.30 – 20.15 FRANK RUDA

_Philosophy – Poli­tics. An Odd Cou­ple _(Vortrag in eng­li­scher Sprache)

20.15 – 20.30 Pause

20.30 – 21.45 DISKUSSION

Wir freu­en uns über Euer/Ihr Kommen!

Eine Ver­an­stal­tung orga­ni­siert von Clé­ment Dré­a­no, Jan Wei­se und Moritz Herr­mann – mit freund­li­cher Unter­stüt­zung des Forum Kri­ti­scher Wissenschaften 

Antigenderismus, Antisemitismus und Muslim*innenfeindlichkeit – Sozialpsychologische Überlegungen zum ideologischen Syndrom der extremen Rechten

Vor­trag von Sebas­ti­an Winter

am 12. Juni 2019

Im Rah­men der Vortragsreihe 

//back to the future – Zur Aktua­li­tät eines mate­ria­lis­ti­schen Feminismus//



Der Kampf gegen den „Gen­de­ris­mus“ ver­eint die extre­me Rech­te und fin­det Anklang bis hin zu FAZ und Spie­gel. Bereits die kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on der 1920er Jah­re pro­pa­gier­te den Kampf gegen als „ver­ju­det“ inter­pre­tier­te Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­se der Geschlecht­er­ord­nung. Im Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­de dann unter dem Vor­zei­chen der Volks­ge­mein­schaft eine „neue Syn­the­se“ der Geschlech­ter ver­hie­ßen, die frei sei von den zer­set­zen­den Ein­flüs­sen der Frau­en­eman­zi­pa­ti­on, aber auch von „Lüs­tern­heit“ und allem Künst­li­chem. Heu­te rich­tet sich die Stoß­rich­tung gegen staat­li­che Gleich­stel­lungs­po­li­tik, libe­ra­len Sexu­al­kun­de­un­ter­richt, femi­nis­ti­sche Kri­tik und jede Dena­tu­ra­li­sie­rung des Geschlecht­li­chen. Ver­schwö­rungs­theo­re­tisch wird eine „Gen­der-Lob­by“ als dahin­ter trei­ben­de dunk­le Kraft ver­mu­tet, wel­che die Deut­schen umer­zie­hen will – und wie­der fin­den sich (struk­tu­rell) anti­se­mi­ti­sche Asso­zia­tio­nen. Schein­bar para­dox wird gleich­zei­tig oft­mals die Ableh­nung von „Frau­en­un­ter­drü­ckung“ und Juden­feind­schaft demons­tra­tiv betont. Man ste­he hier als gute Deut­sche oder guter Deut­scher ganz im Gegen­satz zu „den Mos­lems“ und „NAFRIs“. Wie ist die­ses ideo­lo­gi­sche Syn­drom sozi­al­psy­cho­lo­gisch zu inter­pre­tie­ren? Was macht sei­ne affek­ti­ve Attrak­ti­vi­tät aus?


Sebas­ti­an Win­ter ist Lehr­be­auf­trag­ter am Insti­tut für Sozio­lo­gie der Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver und Koor­di­na­tor der Arbeits­ge­mein­schaft Poli­ti­sche Psy­cho­lo­gie. Sei­ne Arbeits­schwer­punk­te sind Geschlech­ter- und Sexua­li­täts­ge­schich­te der völ­ki­schen Bewe­gung, des Natio­nal­so­zia­lis­mus und der post­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten, Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, Geschlech­ter­theo­re­ti­sche Sozia­li­sa­ti­ons­theo­rie sowie Psy­cho­ana­ly­ti­sche Sozialpsychologie.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen bei Face­book.

Eine Ver­an­stal­tung von FfeM und AK069 mit freund­li­cher Unter­stüt­zung des Forum Kri­ti­scher Wissenschaften.

Marx-Tagung »Die Zeit des Kapitals«

Dem Zeit­be­griff scheint kei­nes­wegs eine her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung in Marx’ Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie zuzu­kom­men. So ent­wi­ckelt Marx im Kapi­tal kei­nen all­ge­mei­nen Begriff der Zeit, son­dern die spe­zi­fi­sche Zeit­lich­keit, in der das Kapi­tal in den ver­schie­de­nen Sphä­ren pro­zes­siert, erweist sich viel­mehr nur als Moment in der kon­kre­ten Ana­ly­se der jewei­li­gen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se und Zir­ku­la­ti­ons­ak­te in ihrem Zusam­men­hang. Wie lässt sich vor die­sem Hin­ter­grund die spe­zi­fi­sche Zeit­lich­keit des moder­nen Kapi­ta­lis­mus genau­er ver­ste­hen? Wird sie von Zeit­dia­gno­sen der Kri­ti­schen Theo­rie rich­tig bestimmt, wenn Georg Lukács und Wal­ter Ben­ja­min die Zeit des Kapi­ta­lis­mus als eine gleich­för­mig-homo­ge­ne, abs­trak­te und lee­re Zeit rekon­stru­ie­ren? Und wie ver­hal­ten sich die­se Bestim­mun­gen zu dem mar­xis­ti­schen Gedan­ken, wonach kul­tu­rel­le und poli­ti­sche Phä­no­me­ne mit der öko­no­mi­schen Grund­struk­tur ver­ein­bar sein müs­sen, um nicht zu ver­schwin­den? Das Ver­ständ­nis davon, was wir ›Zeit‹ nen­nen, hat sich über die Jahr­hun­der­te eben­so gewan­delt wie ihre gesell­schaft­li­che Funk­ti­on und die Wei­se, in der wir sie erfah­ren. Inwie­weit kann die Marx­sche Öko­no­mie­kri­tik dazu bei­tra­gen, die Zeit im Kapi­ta­lis­mus genau­er zu verstehen?

Programm

Frei­tag, 10. Mai 2019

10:00 – 10:30       Eröffnung

10:30 – 12:30       Semi­nar­pha­se I

*** Mittagessen ***

13:30 – 15:00       Panel I: 

Pau­la Rau­ha­la (Tam­pe­re): Labor theo­ry of value and the pro­blem of the mea­su­re­ment of labor time

Nad­ja Rako­witz & NN von der Marx Bri­ga­de (Frank­furt): ›Zeit‹ in der frü­hen Schrift von Marx über Epi­kur und Demokrit

*** Kaffeepause *** 

15:30 – 17:00       Panel II:  Jan Völ­ker (Ber­lin): Geschich­te der Scheinzeit

17:30 – 19:00       Key­note I:  A. Kiari­na Kor­de­la (Saint Paul, MN): Marx’s Times: a Mate­ria­list Theo­ry of Tem­po­ra­li­ty
Respon­se: Pau­la Rau­ha­la

Im Anschluss:   Emp­fang (Fest­saal)

20:30                 Auf­tritt des Aka­de­mi­schen Arbei­ter­lie­der­chors (Fest­saal)

Sams­tag, 11. Mai 2019

10:30 – 12:30       Semi­nar­pha­se II

*** Mittagessen ***

13:30 – 15:00       Panel III:  Frank Engs­ter (Ber­lin): Geld, Maß und Zeit

*** Kaffeepause ***

15:30 – 17:00       Panel IV: Nad­ja Rako­witz (Frank­furt): Kreis­lauf, Bewe­gung und Ver­knö­che­rung. Bedeu­tung der Zeit im Bd. 2 der Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie von Karl Marx

17:30 – 19:00       Key­note IIMicha­el Hein­rich (Ber­lin): Zeit­lich­keit und kapi­ta­lis­ti­sche Vergesellschaftung

*** Abendessen ***

Im Anschluss:    Bar­a­bend (Café KoZ)

Die Vor­trä­ge und Key­notes fin­den im Fest­saal, die Lek­tü­re­se­mi­na­re in den Räu­men K 2 und K 4 des Stu­die­ren­den­hau­ses auf dem Cam­pus Bocken­heim statt.

Zur Kritik der neoliberalen Universität

Vor­trag von Ger­hard Stapelfeldt

am 17. April 2019

Die Uto­pie der Bil­dung ver­sprach einst, daß der Mensch durch sei­nen Auf­stieg zur Got­tes­eben­bild­lich­keit sich selbst und sei­ne Welt durch Ver­nunft zu bil­den ver­möch­te: einem Bild­hau­er gleich. Bil­dung ist: höchs­te theo­re­ti­sche Ein­sicht in die Welt als Gan­ze, prak­ti­sche Ver­wirk­li­chung des Men­schen als Men­schen, der Gesell­schaft als eines ver­nünf­ti­gen „Ver­eins frei­er Men­schen“ – so daß der Mensch sich sei­ner selbst und sei­ner Ver­hält­nis­se be­wußt ist. Als Pro­zeß ist Bil­dung: Welt- und Selbst­auf­klä­rung durch das „Än­dern der Umstän­de“ und „Selbst­ver­än­de­rung“ ineins (Marx). Die­se Idee wur­de gebo­ren in der Anti­ke, radi­ka­li­siert in der Renais­sance, lei­ten­de Uto­pie in der Epo­che der libe­ra­len Auf­klä­rung – um am Ende des 19. Jahr­hun­derts in der Aus­bil­dung von Men­schen zu Maschi­nen­men­schen in einer irra­tio­nal-ra­­tio­na­len Maschi­nen­ge­sell­schaft unter­zu­ge­hen. Die neu­es­te Gestalt der Nega­tion jener Ver­nunft-Uto­pie durch den gesell­schaft­li­chen Feti­schis­mus ist der zur Glo­ba­li­sie­rung ver­all­ge­mei­ner­te Neo­li­be­ra­lis­mus: die neo­li­be­ra­le Wis­sensgesellschaft. Die Pro­duk­ti­ons­stät­te des gesell­schaft­lich analpha­be­ti­schen Wis­sens der Wis­sens­ge­sell­schaft ist die neo­li­be­ra­le Uni­ver­si­tät. In ihr wird der Wis­sen­de an eine dar­wi­nis­ti­sche Wett­be­werbs­ge­sell­schaft ange­paßt, die nur Sie­ger und Ver­lie­rer kennt: „Über­le­ben des Erfolg­rei­chen“ und „Selek­tion“ (Hay­ek).


Prof. Dr. Ger­hard Sta­pel­feldt lehr­te von 1979 bis 2009 am Insti­tut für So­ziologie der Uni­ver­si­tät Ham­burg. Seit­dem arbei­tet er als frei­er Schrift­stel­ler in Hamburg.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen gibt es bei Face­book sowie einen Audio-Mit­schnitt zum nach­hö­ren bei Sound­cloud.

Eine Ver­an­stal­tung in Koope­ra­ti­on mit dem Refe­rat für Poli­ti­sche Bil­dung (Pol­Bil) des All­ge­mei­nen Stu­die­ren­den­aus­schus­ses (AStA) der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt mit freund­li­cher Unter­stüt­zung des Forum Kri­ti­scher Wissenschaften.