Eine kritische Theorie der Gesellschaft und eine feministische Kritik sind in ihrem Zugang zur Gesellschaft verbunden, beide weisen zugleich praktische soziale Konflikte und gesellschaftliche Widersprüche aus. Solche wissenschaftlich zu befragen heißt, die Bedingungen der Möglichkeit dieses Gegenstandes zu problematisieren: Also Erkenntnis ausgehend von Kritik zu vollziehen.
Dennoch treten feministische Perspektiven auf Gesellschaft und solche Ansätze, die an die Kritische Theorie anschließen, in gegenwärtigen Debatten immer wieder in einem Spannungsverhältnis auf. Methodische Fragen – zur Form eines gesellschaftlichen Subjekts oder dessen psychosozialer Konstitution – spielen in dieser Gegenüberstellung eine wichtige Rolle. Gleiches gilt für die erkenntnistheoretischen Modi, durch die Gesellschaft begriffen werden soll. So war die fundamentale Funktion der Modelle einer Freudschen Psychoanalyse für die Frankfurter Schule auf Grund ihrer Zentrierung des männlichen Subjekts und ihrer Tendenz zur Festschreibung geschlechtlicher Rollenverteilung immer wieder Anlass für feministische Kritik. Kritische Theorie steht wiederum sprachphilosophisch operierenden Begriffen eines Subjekts, wie sie etwa für den Queer-Feminismus wichtig sind, meist reserviert gegenüber. Auch in der Analyse und Bewertung ästhetischer Formen und massenmedial strukturierter Öffentlichkeit besteht Konfliktpotential. So betonen etwa die Cultural Studies die Relevanz popkultureller Kunstformen und begreifen sie als Möglichkeit eines eigensinnigen Ausdrucks, ausgehend von der Erfahrung gesellschaftlicher Unterdrückung. Gerade darin erkennen Vertreter*innen der Kulturindustrie-These wiederum ein Moment der Unterdrückung: eine Trivialisierung, durch die Leid noch zum Zwecke des ‚Vergnügens‘ verwertbar erscheint und die einen tatsächlichen Ausdruck von Nicht-Identität unterminiert. Zugleich mangelt es in den sich materialistisch gebenden Überlegungen über die Marktförmigkeit des Wirklichen in der Regel an einem Verständnis von reproduktiver Arbeit als essentiell für die Funktionsweise von Kapitalismus.
Diese Konflikte sind nur einige Beispiele, anhand derer die Vielzahl von Fragen deutlich werden, die eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kritischer Theorie und Feminismus aufwerfen muss: Welche Geltung und Reichweite können solche kritischen Methoden für sich behaupten? Müssen sie so allgemein angelegt sein, wie der totale gesellschaftliche Gesamtzusammenhang, auf den sie angewendet werden oder wäre Kritik immer auf jenen subjektiven Zugang zu Gesellschaft zu beschränken, von dem aus sie formuliert wird?
Diesen und anderen Fragen wollen wir uns vom 8. bis zum 9. Februar 2019 an der Goethe- Universität Frankfurt am Main widmen. Im Rahmen dieser Tagung möchten wir Bestand, Möglichkeiten und Konflikte von Forschung und Theoriebildung zum Verhältnis von Feminismus und Kritischer Theorie erfassen. Wir laden hierzu alle Interessierten herzlich ein, teilzunehmen und mit uns zu diskutieren.
Programm
Freitag, 8. Februar 2019
13:00 – 13:30 Begrüßung
13:30 – 15:30 Panel I: Partikularismus und Universalismus:
Christine Achinger: Universalismus und Differenz in der kapitalistischen Moderne: Bilder von Rasse, Geschlecht und des Jüdischen als Konstellation
Dagmar Wilhelm: Negative Dialektik und Feminismus: das Nicht-identische und das “Einigende“
Alexandra Colligs: Relativismus statt Universalismus. Queer-Feminismus und Identity Politics.
16:30 – 18:30 Panel II: Kritische Theorie und feministische Ideologiekritik:
Katharina Lux: Welches Subjekt Frau? Feministische Subjektkritik in der autonomen Frauenbewegung
Koschka Linkerhand: Das politische Subjekt Frau. Was kann ein materialistischer Feminismus leisten?
Barbara Umrath: Von Marx zur Kritik der Zweigeschlechtlichkeit
19:00 – 20:30 KEYNOTE
Regina Becker-Schmidt: Arbeits- und Lebensverhältnisse von Frauen im Spannungsfeld von Universalisierung und Partikularismus. Ein feministischer Blick auf den Strukturzusammenhang von gesellschaftlicher Fragmentierung, der Ökonomisierung von marktfernen Sozialbereichen und androzentrischen Sexualordnungen
Samstag, 9.Februar 2019
10.00 – 12:00 Panel III: Geschlecht, Arbeit, Kapitalismus:
Sarah Speck: Ungleichzeitigkeiten, Widersprüche, Paradoxien – Eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf den Wandel von Arbeits- und Geschlechterverhältnissen
Franziska Haug: „Hier wird begraben ein Körper, der mich unter sich begraben hat“. Die Produktion von Geschlecht durch Arbeit bei Thomas Braschs „Lovely Rita“
13:00 – 15:00 Panel IV: Psychoanalyse und Kritische Theorie:
Sebastian Winter: Antigenderismus – Abwehr des Sexualitätsdilemmas
Christine Kirchhoff: Nicht-Identisches und die Sehnsucht nach der „vollen Identität“. …und was will eigentlich das Weib?
Ilka Quindeau: „Männlich, weiblich, divers“ – zur Ambivalenz geschlechtlicher Identifizierungen
15:30 – 17:30 KEYNOTE
Karin Stögner: Weiblichkeit und Widerspruch. Spuren einer kritischen Theorie der Geschlechterverhältnisse bei Benjamin und Adorno
Abschlussdiskussion
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/2270967133160311/
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