[1] Christoph Menke: „Theorie der Befreiung“
Mittwoch, 19.04.2023 um 18 Uhr (c.t.)
Casino 1.811 (IG-Farben-Campus)
Moderation: Christina Engelmann und André Möller
Die Aufzeichnung zur Veranstaltung findet Ihr auf unserem YouTube-Kanal!
In seinem neuen Buch „Theorie der Befreiung“ setzt Christoph Menke bei der geschichtlichen Diagnose an, dass alle ökonomischen und politischen Befreiungsversuche gescheitert sind. Ausgehend von der griechischen Freiheit – die programmatisch in Abgrenzung zum unfreien Zustand der Sklaverei definiert ist und unsere westlichen Freiheitsvorstellungen nach wie vor in ihrer Widersprüchlichkeit prägt – zeigt sich, dass der Kampf für Freiheit immer wieder in einen Legitimationsdiskurs für Herrschaft umschlägt: bis heute enden die Befreiungsversuche in immer neuen Abhängigkeitsordnungen und Formen der Herrschaft.
Von dieser Analyse ausgehend bestimmt Menke Freiheit als Prozess der Befreiung von sich selbst: Die Art und Weise, wie das autonome Subjekt sein Können bildet, beruht demnach selbst auf Prozessen der Gewöhnung, die zutiefst unfrei sind. Befreiung setzt daher bei einer Erfahrung an, die wir nicht vermögend vollziehen, sondern die uns geschieht und dadurch unversehens aus der knechtenden Gewohnheit reißt. Sie beginnt mit der Faszination. Dies veranschaulicht Menke an zwei exemplarischen Befreiungsnarrativen: am liberalen, ökonomischen Freiheitskonzept und der religiösen Befreiung. An ihnen zeigt sich aber auch, dass die Abschaffung der durch die Identität der Gewohnheit bedingten Knechtschaft trotz ihres anfänglichen emanzipatorischen Gehalts immer an und im Sozialen scheitert.
Der Befreiungsprozess darf daher bei ihnen nicht stehenbleiben. Aber durch ihr Scheitern lässt sich die Befreiung noch besser verstehen: Aus dem Scheitern der ökonomischen und der religiösen Befreiung lässt sich ein Begriff radikaler Befreiung gewinnen. Diese radikale Form der Befreiung geht aus von einer faszinierenden (ästhetischen) Erfahrung, die uns hinter die Ebene sicherer Urteile zurückwirft und darin neu bestimmbar macht. Sie gilt es zu bejahen, um in die (politische) Praxis der Befreiung einzutreten.
Wir sprechen mit Christoph Menke über den internen Zusammenhang von Freiheit und Herrschaft, die in diesem Widerspruch gründenden Befreiungsmodelle und was das mit Kritischer Theorie, der Oktoberrevolution und Ästhetik zu tun hat.
[2] Sophie Lewis: „Abolish the family. A Manifesto for Care and Liberation“
Donnerstag, 27.04.2023 um 19:00 Uhr (s.t.)
Moderation: Sarah Mühlbacher
Institut für Sozialforschung (IfS, Sitzungsraum I) und per Zoom
Anmeldung bis 16.04.2023 unter: info@forumkw.de
Die Familie abschaffen – in ihrem aktuellen Manifest fordert Sophie Lewis, Care-Arbeit und Verwandtschaft neuzuerfinden. Lewis stellt dabei die scheinbare Selbstverständlichkeit, dass die Familie Ort von Stabilität und Glück ist, infrage. Vielmehr sieht sie Familie als eine Notlösung, deren verbindende Einheit uns zwar im besten Fall vor Schlimmerem bewahrt, sich aber auch erst durch die Tatsache strukturell gewaltvoller und unterdrückender Verhältnisse rechtfertigen kann. Letzten Endes ist ‚Blut ist dicker als Wasser‘ nämlich eine trennende und keine vereinende Maxime. Die Frage, die sie damit aufwirft, lautet: Was würde es heißen, die Familie nicht mehr zu brauchen?
Sophie Lewis zeichnet hierzu einen Bogen familien-abolitionistischer Ideen von Utopisten des 18. Jh., vorkolonialen Gesellschaften und sozialistischen Ansätze bis hin zu zeitgenössischen queeren Emanzipationsbewegungen nach. Die Vision von Abolish the Family bleibt dabei, die „disziplinierende, knappheitsbasierte Trauma-Maschine“ Familie zugunsten „eines Reichtums (…), den wir noch nie gekannt haben und erst strukturieren müssen“, aufzugeben.
[3] Marina Martinez Mateo: „Critical Philosophy of Race“
Mittwoch, 07.06.2023 um 19 Uhr (s.t.)
Casino 1.811 (IG-Farben-Campus)
Moderation: Francesca Raimondi
Worum handelt es sich bei Race und welche Rolle spielen unsere Wahrnehmung und unser Wissen bei ihrer Konstruktion? Oder was ist Rassismus? Diese Fragen beschäftigen den Reader Critical Philosophy of Race, den Mitherausgeberin Marina Martinez Mateo im Gespräch mit Francesca Raimondi am 07.06.2023 vorstellen wird.
Das Forschungsfeld der Critical Philosophy of Race ist in den letzten drei Jahrzehnten im US-amerikanischen Raum entstanden und steht in direkter Tradition der kritischen Theorie. Sie hat Überschneidungspunkte mit den Critical Legal Studies und der Critical Race Theory. Im Rahmen der gesellschaftlichen Diskussionen um Rassismus adressiert sie Probleme der sozialen und historischen Konstruktion von Race, sowie der strukturellen und systemischen Natur von rassistischer Kultur und Gesellschaft.
Dabei wird Race als Kategorie gefasst, welche nicht materiell, sondern performativ in der Gesellschaft entsteht und soziale sowie politische Verhältnisse expliziert. Dabei ist der englische Begriff Race nicht gleichzusetzten mit ›Rasse‹. Entgegen der eindeutig rassistischen Verwendung des Begriffes Rasse, ist Race im Kontext von Aneignung und sozialkonstruktivistischer Umdeutung zu sehen und somit auch von emanzipatorischer Natur. Der von Kristina Lepold und Marina Martinez Mateo herausgegebene Reader nähert sich dieser, auch im Rahmen von #Blacklivesmatter immer relevanter werdenden philosophischen Betrachtung, unter drei Gesichtspunkten, die systematisch in die Thematik einführen: Metaphysik, Epistemologie und Ethik und Politik.