Ästhetik.Kultur.Kritik – Ästhetische Erfahrung im Kapitalozän

Vor­trags­rei­he | Dezem­ber 2023 bis Juni 2024

*UPDATE: der Vor­trag von Jen­ny Nach­ti­gall am 27. Juni muss lei­der ent­fal­len*
Lei­der wird der Vor­trag von Jen­ny Nach­ti­gall „Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik“, der für kom­men­den Don­ners­tag (27.06.24) ange­setzt war, nicht wie geplant statt­fin­den kön­nen. Ihr erfahrt hier und über unse­re Social Media-Kanä­le, falls der Vor­trag in einem ande­ren Set­ting nach­ge­holt wer­den kann.

Das Bewusst­sein davon, dass wir mit der durch die kapi­ta­lis­ti­sche Ver­wer­tungs­lo­gik pro­du­zier­ten Kli­ma­ka­ta­stro­phe in das Zeit­al­ter des Kapi­talo­zäns ein­ge­tre­ten sind, hat sich auch in der Kunst nie­der­ge­schla­gen. Kon­kret zeigt sich dies mit Blick auf die kri­ti­sche Ver­hand­lung der Auf­fas­sung davon, was gewöhn­lich in dem Begriff der ›Ver­mitt­lung von Geist und Natur‹ zum Aus­druck kommt. Was kann – und mit­un­ter muss – in einer ästhe­ti­schen Erfah­rung heu­te erschlos­sen wer­den? Die Vor­trags­rei­he wird die­sen Zugang mit­hil­fe ver­schie­de­ner Ansät­ze gegen­wär­ti­ger Ästhe­tik kri­tisch befragen. 

Denn mit dem Bewusst­sein der vom Kapi­tal gemach­ten Kli­ma­ka­ta­stro­phe ist zwar auch die Mög­lich­keit gege­ben, die Logik zer­stö­re­ri­scher Natur­be­herr­schung zu durch­bre­chen. »Ange­sichts sol­cher Mög­lich­keit aber«, mit den bekann­ten, die Theo­rie der Kul­tur­in­dus­trie ein­lei­ten­den Wor­ten von Theo­dor W. Ador­no und Max Hork­hei­mer gespro­chen, »wan­delt im Dienst der Gegen­wart Auf­klä­rung sich zum tota­len Betrug der Mas­sen um.« Mit der Fra­ge nach dem, was eine ästhe­ti­sche Erfah­rung im Kapi­talo­zän zu erschlie­ßen fähig ist, wird die Vor­trags­rei­he zugleich danach fra­gen, was sie zu ver­schlie­ßen fähig ist: Es sind die von der Ästhe­tik betrach­te­ten Zugän­ge, in denen sich die­ser Betrug voll­zie­hen lässt.


Programm


[1] „Gemein­sinn: Kant über die Kunst des Gat­tungs­we­sens“ | Vor­trag von Tho­mas Khurana

Diens­tag, 12.12.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: Casi­no 1.812 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Wildt

[2] „Dar­stel­lun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses“ | Podi­um mit Julia­ne Reben­tisch & Chris­toph Menke

Mitt­woch, 17.01.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: Casi­no 1.811 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nathan Taylor

[3] „Die Kon­zep­ti­on der Kul­tur­in­dus­trie in der frü­hen Kri­ti­schen Theo­rie: Grund­la­gen und Aktua­li­tät“ | Work­shop mit Susan­ne Martin

Frei­tag, 02.02.24 von 12:00 – 16:00 Uhr

Raum: Sit­zungs­saal I – Insti­tut für Sozi­al­for­schung (IfS)

Anmel­dung unter: info@forumkw.de

[4] „Zur Poli­ti­schen Öko­no­mie der Medi­en und Grund­ris­se einer Wert­theo­rie der Kunst“ | Podi­um mit Isa­bel­le Graw & Chris­ti­an Fuchs

Don­ners­tag, 06.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Eli­as Schedler

[5] „Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik“ | Vor­trag von Jen­ny Nachtigall

Mit einer Respon­se von Simon Gurisch

Don­ners­tag, 27.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nils Fock



[1] Thomas Khurana: »Gemeinsinn: Kant über die Kunst des Gattungswesens«

Diens­tag, 12.12.2023 | 18:00 (c.t.) | Casi­no 1.812 (IG-Far­ben Cam­pus, Goethe-Universität)

Mode­ra­ti­on: Fran­zis­ka Wildt

In »Gemein­sinn: Kant über die Kunst des Gat­tungs­we­sens« wird Tho­mas Khurana der Ver­mitt­lung von Geist und Natur in der ästhe­ti­schen Erfah­rung und dem aus ihr resul­tie­ren­den ästhe­ti­schen Urteil nach­ge­hen. In sei­ner drit­ten Kri­tik ent­wi­ckelt Kant Über­le­gun­gen zu einer durch Kunst her­vor­ge­brach­ten Natur, die sich dadurch aus­zeich­net, geis­tig her­vor­ge­bracht zu sein und zugleich die Erfah­rung einer ande­ren Natur zu ermög­li­chen, die das Begriffs­ver­mö­gen über­schrei­tet. Kants Bestim­mung des ästhe­ti­schen Urteils zeigt so ein Ver­hält­nis des Geis­tes zu sich selbst, zur Natur und einer Form der Sozia­li­tät auf, das im Begriff des Gat­tungs­we­sens zusam­men­läuft, den Khurana bis­her bei Marx und Hegel ver­folgt hat. Denn die­ser Begriff zeich­net sich zum einen durch sei­ne die anthro­po­zen­tri­sche Sicht­wei­se tran­szen­die­ren­de Offen­heit gegen­über der natür­li­chen Exis­tenz des Geis­tes aus und wird zum ande­ren auch von Marx mit der Fähig­keit zu ästhe­ti­schen Urtei­len erläu­tert. Im Vor­trag wird die­se Idee nun an Kant selbst nach­voll­zo­gen und ver­han­delt, inwie­weit der Begriff des Gat­tungs­we­sens im Lich­te aktu­el­ler Dia­gno­sen des Kapi­talo­zäns als eine von die­sem Gat­tungs­we­sen wesent­lich ent­frem­de­te Gegen­wart zu refor­mu­lie­ren wäre.


[2] Juliane Rebentisch und Christoph Menke im Gespräch mit Nathan Taylor: »Darstellungen des Naturverhältnisses«

Mitt­woch, 17.01.2024 | 18:00 (c.t.) | Casi­no 1.811 (IG-Far­ben Cam­pus, Goethe-Universität)

Mode­ra­ti­on: Nathan Taylor

Mit dem Begriff des Kapi­talo­zäns geht gemein­hin ein Urteil des Schei­terns der herr­schen­den Ver­mitt­lungs­lo­gik von Geist und Natur ein­her. Die­ses stellt somit auch bis­he­ri­ge Bestim­mun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses grund­le­gend infrage.

Seit der Moder­ne wird das Natur­ver­hält­nis in der phi­lo­so­phi­schen Ästhe­tik häu­fig in den Begrif­fen des ›Natur­schö­nen‹ und des ›Erha­be­nen‹ ver­han­delt. Ers­te­rer bringt ein har­mo­ni­sches Zusam­men­spiel von Geist und Natur inner­halb ihrer bestehen­den Ver­mitt­lung zur Spra­che. Letz­te­rer hin­ge­gen will deren Dis­har­mo­nie als Erfah­rung einer ver­meint­li­chen Über­le­gen­heit des Geis­tes gegen­über der Natur begreifen. 

Wenn die herr­schen­de Ver­mitt­lungs­lo­gik von Geist und Natur – und mit ihr die Bestim­mun­gen des Natur­schö­nen und des Erha­be­nen – im Kapi­talo­zän nun pro­ble­ma­tisch wer­den, so muss das Natur­ver­hält­nis auf eine aus jenen klas­si­schen Kate­go­rien hin­aus­füh­ren­de Wei­se neu gedacht wer­den. Die­se grund­le­gen­de Auf­ga­be teilt sich die phi­lo­so­phi­sche Ästhe­tik mit ande­ren Dis­zi­pli­nen. Doch nimmt nur sie dabei aus­drück­lich und pri­mär zum Gegen­stand, was in bestimm­ten Natur­ver­hält­nis­sen wie zur Dar­stel­lung kommt. Damit ist sie ent­schei­dend an der Her­aus­bil­dung einer ande­ren Auf­fas­sung und Erfah­rung von Natur beteiligt.

Die zwei­te Ver­an­stal­tung unse­rer Rei­he »Ästhetik.Kultur.Kritik. Ästhe­ti­sche Erfah­rung im Kapi­talo­zän« the­ma­ti­siert »Dar­stel­lun­gen des Natur­ver­hält­nis­ses«, in wel­chen die Mensch-Tier-Bezie­hung zum Aus­druck kommt. Julia­ne Reben­tisch und Chris­toph Men­ke spre­chen über Per­spek­ti­ven, Natur jen­seits ihrer gewöhn­li­chen Ent­ge­gen­set­zung zum Geist zu den­ken, die sich in der Betrach­tung bestimm­ter Dar­stel­lun­gen des Tie­ri­schen durch den Men­schen eröff­nen – und dar­über, war­um die Küns­te hier­für unver­zicht­bar sind.


[3] Susanne Martin: »Die Konzeption der Kulturindustrie in der frühen Kritischen Theorie: Grundlagen und Aktualität«

Frei­tag, 02.02.2024 | 12:00 – 16:00 (c.t.) | Sit­zungs­saal des IfS (Sen­cken­berg­an­la­ge 26, 60325 Bockenheim).

Unter dem Begriff Kul­tur­in­dus­trie haben Hork­hei­mer und Ador­no die Kom­mo­di­fi­zie­rung der Pro­duk­ti­on und Rezep­ti­on kul­tu­rel­ler Erzeug­nis­se ana­ly­siert. Ihre Kri­tik rich­te­te sich dabei gegen die inte­gra­ti­ve Kraft der Kul­tur­in­dus­trie, durch die die Sub­jek­te im Zuge des Kon­sums in die gesell­schaft­li­che Ord­nung ein­ge­glie­dert wer­den. In die­sem Licht ent­puppt sich die Kul­tur­in­dus­trie als ein vor­ran­gi­ger Bereich der ideo­lo­gi­schen Herr­schafts­sta­bi­li­sie­rung im Spätkapitalismus.

Wie wird die­ser Befund begrün­det und wel­che Rele­vanz hat er heu­te ange­sichts eines weit­rei­chend ver­än­der­ten kul­tu­rel­len Ange­bots und Kon­sums? Um die­se über­ge­ord­ne­ten Fra­gen des Work­shops zu beant­wor­ten, wer­den wir in einem ers­ten Schritt zen­tra­le Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en des Kapi­tels »Kul­tur­in­dus­trie. Auf­klä­rung als Mas­sen­be­trug« der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung rekon­stru­ie­ren. In einem zwei­ten Schritt soll anhand selbst­ge­wähl­ter Gegen­warts­phä­no­me­ne die Aktua­li­tät der Kul­tur­in­dus­trie­kri­tik aus­ge­lo­tet wer­den. Basis bil­den die Dis­kus­si­on ein­schlä­gi­ger Text­pas­sa­gen sowie Inputs zur Ent­ste­hungs- und Rezep­ti­ons­ge­schich­te der Theo­rie. Das abschlie­ßen­de Ziel des Work­shops ist es, Über­le­gun­gen zu einer zeit­ge­mä­ßen Kul­tur­kri­tik im Anschluss an die frü­he Kri­ti­sche Theo­rie anzustellen.

Text­grund­la­ge: Hork­hei­mer, Max & Ador­no, Theo­dor W. (1944), Kul­tur­in­dus­trie. Auf­klä­rung als Mas­sen­be­trug, in: Max Hork­hei­mer Gesam­mel­te Schrif­ten Bd. 5: Dia­lek­tik der Auf­klä­rung und Schrif­ten 1940 – 1950, hg. v. Gun­ze­lin Schmid Noerr, Frank­furt 1987: Fischer, 144 – 196.

Um Anmel­dung wird gebe­ten unter: info@forumkw.de (wir schi­cken dann ger­ne eine PDF-Ver­si­on des Kapi­tels zum Ein­le­sen zu).


[4] „Zur Politischen Ökonomie der Medien und Grundrisse einer Werttheorie der Kunst“ | Podium mit Isabelle Graw & Christian Fuchs

Don­ners­tag, 06.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Eli­as Schedler

In Gestalt einer digi­ta­len Klas­sen­ge­sell­schaft, ver­än­der­ter Mecha­nis­men von Herr­schaft und neu­er For­men ent­frem­de­ter Arbeit keh­ren im Zei­chen des Digi­ta­len eta­blier­te Ant­ago­nis­men des Kapi­ta­lis­mus wie­der. Um die­se Phä­no­me­ne und Ent­wick­lun­gen unse­rer Gegen­wart genau­er zu ver­ste­hen, unter­sucht Chris­ti­an Fuchs in sei­nem Vor­trag eini­ge Grund­la­gen der Kri­tik der Poli­ti­schen Öko­no­mie des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus. Exem­pla­risch wird er dabei auf Kon­zep­te von Karl Marx und Theo­dor W. Ador­no ein­ge­hen und nach deren Rele­vanz für eine Gegen­warts­ana­ly­se des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus fragen.

Im zwei­ten Teil wird Isa­bel­le Graw ihre an Marx ange­lehn­ten wert­theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen zur zeit­ge­nös­si­schen Kunst prä­sen­tie­ren. Sie knüpft damit an die ästhe­ti­sche Beob­ach­tung an, wonach die bür­ger­li­che Kunst seit jeher durch den Umstand bestimmt ist, Ware zu sein und zugleich die­sen Waren­cha­rak­ter durch künst­le­ri­sche Auto­no­mie zu negie­ren. Nach Marx beruht der Wert der gewöhn­li­chen Ware auf kon­kre­ter Arbeit, abs­tra­hiert jedoch zugleich von die­ser Arbeit. In der Ana­ly­se künst­le­ri­scher Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se geht Graw der Fra­ge nach der spe­zi­fi­schen Ver­ge­gen­ständ­li­chung künst­le­ri­scher Arbeit am Bei­spiel von Pie­ro Man­zo­ni und Robert Mor­ris nach. Die­se ver­han­deln ihre eige­ne Wert­form, indem sie das fer­ti­ge Pro­dukt und sei­nen Her­stel­lungs­pro­zess in Koprä­senz ausstellen.


[5] „Form, Eigentum und der eigenwillige Vitalismus einer materialistischen Ästhetik“ | Vortrag von Jenny Nachtigall

Mit einer Respon­se von Simon Gurisch

Don­ners­tag, 27.06.24 um 18 Uhr (c.t.)

Raum: PEG 1G.191 (IG-Far­ben-Cam­pus)

Mode­ra­ti­on: Nils Fock

Mit dem Ziel einer His­to­ri­sie­rung aktu­el­ler Debat­ten um Kunst und Eigen­tum wer­den in »Form, Eigen­tum und der eigen­wil­li­ge Vita­lis­mus einer mate­ria­lis­ti­schen Ästhe­tik« ver­schie­de­ne mate­ria­lis­ti­sche Gegen­mo­del­le zum pos­ses­si­ven For­ma­lis­mus der Kunst­ge­schich­te vor­ge­stellt. Gemein­sam ist die­sen Model­len zwar eine Ori­en­tie­rung an Fra­gen des Lebens und des Leben­di­gen. Dar­aus folgt jedoch nicht, dass der Kunst eine onto­lo­gi­sche Alteri­tät oder Vita­li­tät zuge­schrie­ben wird. Die­se ›ande­re Tra­di­ti­on‹ fasst Jen­ny Nach­ti­gall als Ansatz eines eigen­wil­li­gen Vita­lis­mus (›way­ward vitalism‹).

way­ward vita­lism‹ soll damit nicht als ein fixer Begriff fest­ge­schrie­ben wer­den. Viel­mehr soll er in sei­ner Vor­läu­fig­keit dabei hel­fen, ein ästhe­ti­sches Ver­hält­nis zum Leben ins Spiel brin­gen, das jen­seits der (bis heu­te von Kunst­ge­schich­te und dem Muse­um auf­recht­erhal­ten­den) Grenz­zie­hun­gen der Moder­ne, For­men von Gemein­schaft­lich­keit, kol­lek­ti­ven Machens/Nichtmachens, oder des Pro­tests umfas­sen kann. Was wird erzähl­bar, wenn wir die­se ›ande­re Tra­di­ti­on‹ in den Blick neh­men – und was fehlt?