Das Forum kritischer Wissenschaften (FkW) ist ein status- und fachbereichs-übergreifender Verein, der sich für die Verstetigung kritischer Forschung und Lehre an der Universität Frankfurt und die Förderung studentischer Initiativen einsetzt. Der Verein versteht sich als hochschulpolitisches Forum, das einen Austausch darüber ermöglichen soll, was es hier in Frankfurt heißen kann, kritische Wissenschaft zu praktizieren. Hierzu unterstützt das FkW die fachbereichs-übergreifende Vernetzung & Organisation gemeinsamer Veranstaltungen. // Kontakt: info@forumkw.de // Aktuelle Infos unter: twitter.com/fkwforum facebook.com/fkwissenschaften youtube.com/@fkwfrankfurt
Dem Zeitbegriff scheint keineswegs eine herausragende Bedeutung in Marx’ Kritik der politischen Ökonomie zuzukommen. So entwickelt Marx im Kapital keinen allgemeinen Begriff der Zeit, sondern die spezifische Zeitlichkeit, in der das Kapital in den verschiedenen Sphären prozessiert, erweist sich vielmehr nur als Moment in der konkreten Analyse der jeweiligen Produktionsprozesse und Zirkulationsakte in ihrem Zusammenhang. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund die spezifische Zeitlichkeit des modernen Kapitalismus genauer verstehen? Wird sie von Zeitdiagnosen der Kritischen Theorie richtig bestimmt, wenn Georg Lukács und Walter Benjamin die Zeit des Kapitalismus als eine gleichförmig-homogene, abstrakte und leere Zeit rekonstruieren? Und wie verhalten sich diese Bestimmungen zu dem marxistischen Gedanken, wonach kulturelle und politische Phänomene mit der ökonomischen Grundstruktur vereinbar sein müssen, um nicht zu verschwinden? Das Verständnis davon, was wir ›Zeit‹ nennen, hat sich über die Jahrhunderte ebenso gewandelt wie ihre gesellschaftliche Funktion und die Weise, in der wir sie erfahren. Inwieweit kann die Marxsche Ökonomiekritik dazu beitragen, die Zeit im Kapitalismus genauer zu verstehen?
Programm
Freitag, 10. Mai 2019
10:00 – 10:30 Eröffnung
10:30 – 12:30 Seminarphase I
*** Mittagessen ***
13:30 – 15:00 Panel I:
Paula Rauhala (Tampere): Labor theory of value and the problem of the measurement of labor time
Nadja Rakowitz &NN von der Marx Brigade (Frankfurt): ›Zeit‹ in der frühen Schrift von Marx über Epikur und Demokrit
*** Kaffeepause ***
15:30 – 17:00 Panel II: Jan Völker (Berlin): Geschichte der Scheinzeit
17:30 – 19:00 Keynote I: A. Kiarina Kordela (Saint Paul, MN): Marx’s Times: a Materialist Theory of Temporality Response: Paula Rauhala
Im Anschluss: Empfang (Festsaal)
20:30 Auftritt des Akademischen Arbeiterliederchors (Festsaal)
Samstag, 11. Mai 2019
10:30 – 12:30 Seminarphase II
*** Mittagessen ***
13:30 – 15:00 Panel III: Frank Engster (Berlin): Geld, Maß und Zeit
*** Kaffeepause ***
15:30 – 17:00 Panel IV: Nadja Rakowitz (Frankfurt): Kreislauf, Bewegung und Verknöcherung. Bedeutung der Zeit im Bd. 2 der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx
Die Vorträge und Keynotes finden im Festsaal, die Lektüreseminare in den Räumen K 2 und K 4 des Studierendenhauses auf dem Campus Bockenheim statt.
Die Utopie der Bildung versprach einst, daß der Mensch durch seinen Aufstieg zur Gottesebenbildlichkeit sich selbst und seine Welt durch Vernunft zu bilden vermöchte: einem Bildhauer gleich. Bildung ist: höchste theoretische Einsicht in die Welt als Ganze, praktische Verwirklichung des Menschen als Menschen, der Gesellschaft als eines vernünftigen „Vereins freier Menschen“ – so daß der Mensch sich seiner selbst und seiner Verhältnisse bewußt ist. Als Prozeß ist Bildung: Welt- und Selbstaufklärung durch das „Ändern der Umstände“ und „Selbstveränderung“ ineins (Marx). Diese Idee wurde geboren in der Antike, radikalisiert in der Renaissance, leitende Utopie in der Epoche der liberalen Aufklärung – um am Ende des 19. Jahrhunderts in der Ausbildung von Menschen zu Maschinenmenschen in einer irrational-rationalen Maschinengesellschaft unterzugehen. Die neueste Gestalt der Negation jener Vernunft-Utopie durch den gesellschaftlichen Fetischismus ist der zur Globalisierung verallgemeinerte Neoliberalismus: die neoliberale Wissensgesellschaft. Die Produktionsstätte des gesellschaftlich analphabetischen Wissens der Wissensgesellschaft ist die neoliberale Universität. In ihr wird der Wissende an eine darwinistische Wettbewerbsgesellschaft angepaßt, die nur Sieger und Verlierer kennt: „Überleben des Erfolgreichen“ und „Selektion“ (Hayek).
Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt lehrte von 1979 bis 2009 am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.
Weitere Informationen gibt es bei Facebook sowie einen Audio-Mitschnitt zum nachhören bei Soundcloud.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Referat für Politische Bildung (PolBil) des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt mit freundlicher Unterstützung des Forum Kritischer Wissenschaften.
Eine kritische Theorie der Gesellschaft und eine feministische Kritik sind in ihrem Zugang zur Gesellschaft verbunden, beide weisen zugleich praktische soziale Konflikte und gesellschaftliche Widersprüche aus. Solche wissenschaftlich zu befragen heißt, die Bedingungen der Möglichkeit dieses Gegenstandes zu problematisieren: Also Erkenntnis ausgehend von Kritik zu vollziehen. Dennoch treten feministische Perspektiven auf Gesellschaft und solche Ansätze, die an die Kritische Theorie anschließen, in gegenwärtigen Debatten immer wieder in einem Spannungsverhältnis auf. Methodische Fragen – zur Form eines gesellschaftlichen Subjekts oder dessen psychosozialer Konstitution – spielen in dieser Gegenüberstellung eine wichtige Rolle. Gleiches gilt für die erkenntnistheoretischen Modi, durch die Gesellschaft begriffen werden soll. So war die fundamentale Funktion der Modelle einer Freudschen Psychoanalyse für die Frankfurter Schule auf Grund ihrer Zentrierung des männlichen Subjekts und ihrer Tendenz zur Festschreibung geschlechtlicher Rollenverteilung immer wieder Anlass für feministische Kritik. Kritische Theorie steht wiederum sprachphilosophisch operierenden Begriffen eines Subjekts, wie sie etwa für den Queer-Feminismus wichtig sind, meist reserviert gegenüber. Auch in der Analyse und Bewertung ästhetischer Formen und massenmedial strukturierter Öffentlichkeit besteht Konfliktpotential. So betonen etwa die Cultural Studies die Relevanz popkultureller Kunstformen und begreifen sie als Möglichkeit eines eigensinnigen Ausdrucks, ausgehend von der Erfahrung gesellschaftlicher Unterdrückung. Gerade darin erkennen Vertreter*innen der Kulturindustrie-These wiederum ein Moment der Unterdrückung: eine Trivialisierung, durch die Leid noch zum Zwecke des ‚Vergnügens‘ verwertbar erscheint und die einen tatsächlichen Ausdruck von Nicht-Identität unterminiert. Zugleich mangelt es in den sich materialistisch gebenden Überlegungen über die Marktförmigkeit des Wirklichen in der Regel an einem Verständnis von reproduktiver Arbeit als essentiell für die Funktionsweise von Kapitalismus. Diese Konflikte sind nur einige Beispiele, anhand derer die Vielzahl von Fragen deutlich werden, die eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kritischer Theorie und Feminismus aufwerfen muss: Welche Geltung und Reichweite können solche kritischen Methoden für sich behaupten? Müssen sie so allgemein angelegt sein, wie der totale gesellschaftliche Gesamtzusammenhang, auf den sie angewendet werden oder wäre Kritik immer auf jenen subjektiven Zugang zu Gesellschaft zu beschränken, von dem aus sie formuliert wird? Diesen und anderen Fragen wollen wir uns vom 8. bis zum 9. Februar 2019 an der Goethe- Universität Frankfurt am Main widmen. Im Rahmen dieser Tagung möchten wir Bestand, Möglichkeiten und Konflikte von Forschung und Theoriebildung zum Verhältnis von Feminismus und Kritischer Theorie erfassen. Wir laden hierzu alle Interessierten herzlich ein, teilzunehmen und mit uns zu diskutieren.
Programm
Freitag, 8. Februar 2019
13:00 – 13:30 Begrüßung
13:30 – 15:30 Panel I: Partikularismus und Universalismus:
Christine Achinger: Universalismus und Differenz in der kapitalistischen Moderne: Bilder von Rasse, Geschlecht und des Jüdischen als Konstellation
Dagmar Wilhelm: Negative Dialektik und Feminismus: das Nicht-identische und das “Einigende“
Alexandra Colligs: Relativismus statt Universalismus. Queer-Feminismus und Identity Politics.
16:30 – 18:30 Panel II: Kritische Theorie und feministische Ideologiekritik:
Katharina Lux: Welches Subjekt Frau? Feministische Subjektkritik in der autonomen Frauenbewegung
Koschka Linkerhand: Das politische Subjekt Frau. Was kann ein materialistischer Feminismus leisten?
Barbara Umrath: Von Marx zur Kritik der Zweigeschlechtlichkeit
19:00 – 20:30 KEYNOTE
Regina Becker-Schmidt: Arbeits- und Lebensverhältnisse von Frauen im Spannungsfeld von Universalisierung und Partikularismus. Ein feministischer Blick auf den Strukturzusammenhang von gesellschaftlicher Fragmentierung, der Ökonomisierung von marktfernen Sozialbereichen und androzentrischen Sexualordnungen
Sarah Speck: Ungleichzeitigkeiten, Widersprüche, Paradoxien – Eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf den Wandel von Arbeits- und Geschlechterverhältnissen
Franziska Haug: „Hier wird begraben ein Körper, der mich unter sich begraben hat“. Die Produktion von Geschlecht durch Arbeit bei Thomas Braschs „Lovely Rita“
13:00 – 15:00 Panel IV: Psychoanalyse und Kritische Theorie:
Sebastian Winter: Antigenderismus – Abwehr des Sexualitätsdilemmas
Christine Kirchhoff: Nicht-Identisches und die Sehnsucht nach der „vollen Identität“. …und was will eigentlich das Weib?
Ilka Quindeau: „Männlich, weiblich, divers“ – zur Ambivalenz geschlechtlicher Identifizierungen
15:30 – 17:30 KEYNOTE
Karin Stögner: Weiblichkeit und Widerspruch. Spuren einer kritischen Theorie der Geschlechterverhältnisse bei Benjamin und Adorno
Abschlussveranstaltung der Reihe „Display – Gegenwart im Kontext“
07.02.2018 um 19:00 Uhr // NG 1741b (IG Nebengebäude) // IG Farben Campus
Seit Dezember ist in Österreich mit der FPÖ eine offen rassistische Partei in der Bundesregierung vertreten. Überraschend ist das nicht: Rechte und rechtsradikale Parteien bekommen überall in Europa Aufwind und sind in einigen Ländern sogar an Regierungen beteiligt. Bürgerlich-demokratische Institutionen scheinen grundlegend in die Krise geraten zu sein. Für viele Menschen ist die Zunahme rechter Gesinnung auch ein manifester Faktor im Alltag: Geflüchtete, Jüdinnen und Juden und People of Color werden immer häufiger Opfer rechter Gewalt. In Deutschland wird nicht nur auf der Ebene der Parteienpolitik, sondern auch in vielen zivilgesellschaftlichen Institutionen über den richtigen Umgang mit Rechten gestritten: In der Universität, in den Theatern, bei den Gewerkschaften oder auf der Buchmesse. Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe „Display – Gegenwart im Kontext“ möchten wir diese Fragen aufgreifen und gemeinsam über Ursachen der gegenwärtigen Rechtsentwicklung und mögliche Gegenstrategien sprechen.
Unser Gast ist Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.
Veranstaltet durch die Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie am FB 03 und das Forum kritischer Wissenschaften.
Zur Reihe:
Meldungen über den autoritären Umbau inner- und außereuropäischer Staaten flimmern täglich über die Bildschirme. Weltweite Proteste und sich immer wieder neu formierende soziale Bewegungen werden in der Presse und in sozialen Netzwerken rund um die Uhr diskutiert. Eine gesellschaftstheoretisch informierte Analyse dieser Ereignisse bleibt im gegenwärtigen öffentlichen und medialen Diskurs jedoch weitgehend aus. Was können die kritischen Wissenschaften für das Verständnis solcher aktuellen politischen Geschehnisse beitragen? Anliegen der Veranstaltungsreihe ist es, sich in einer offenen Diskussion mit lokalen Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus unterschiedlichen Fachgebieten diese komplexen Themen zu erschließen. Dabei soll zugleich das Potential kritischer Gesellschaftstheorie zur Analyse sozialer Entwicklungen und Probleme der Gegenwart befragt und die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen als Teil der akademischen Praxis verankert werden.
Die aktuellen Themen und Referent*innen werden jeweils kurzfristig bekannt gegeben.
Israel ist nicht nur immer wieder terroristischen Angriffen durch islamistische Organisationen wie die Hamas und den Islamischen Dschihad ausgesetzt, sondern wird zunehmend auch mit Kampagnen zu seiner Dämonisierung und Delegitimierung konfrontiert. So fordert beispielsweise die nicht nur in den palästinensischen Gebieten, sondern auch in vielen anderen Ländern agierende BDS-Bewegung einen umfassenden Boykott des jüdischen Staates sowie Kapitalabzug, Embargos und Zwangsmaßnahmen – auf wirtschaftlichem, politischem, akademischem und künstlerischem Gebiet. Sie gibt dabei vor, für die Menschenrechte einzutreten, hat jedoch nicht weniger zum Ziel als die „Befreiung ganz Palästinas“, das heißt: eine Kein-Staat-Israel‑Lösung.
Die Aktivisten dieser Bewegung sind gut vernetzt und verfügen über Einfluss, der bis in wichtige Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen sowie in Gremien der Vereinten Nationen hineinreicht. In der Öffentlichkeit und den Hochschulen sind sie ebenfalls äußerst präsent, vor allem in Großbritannien und den USA. Die EU-Kommission hat ihnen Ende 2015 sogar einen ihrer größten Wünsche erfüllt, indem sie eine besondere Kennzeichnungspflicht für Produkte israelischer Firmen beschloss, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben. Es ist dies die Vorstufe zu einem offenen Boykott.
In seinem Vortrag wird Alex Feuerherdt die zweifelhaften Hintergründe und Auswirkungen dieser Boykott- und Delegitimierungskampagnen analysieren, einen Überblick über ihre Akteure geben und erörtern, welche Rolle und welches Gewicht den NGOs dabei zukommt. Zudem wird er prüfen, welche Ziele die gegen den jüdischen Staat gerichteten „Lawfare“-Bestrebungen haben und welches Verständnis von den Menschenrechten ihnen zugrunde liegt.
Zum Referenten: Alex Feuerherdt ist freier Publizist und lebt in Köln. Er arbeitet schwerpunktmäßig zu den Themen Israel, Nahost, Antisemitismus und Fußball und schreibt regelmäßig unter anderem für die Jüdische Allgemeine, n‑tv.de, die Jungle World und Konkret. Außerdem ist er der Betreiber des Blogs Lizas Welt.
Mittwoch, 13. Dezember 19:00 Uhr // Cas 1.811 // IG-Farben‑Campus
In her talk Alenka Zupančič will discuss the encounter between psychoanalysis and philosophy at the points where the two seem to be the most incompatible. Sex (and psychoanalytic theory of sexuality) is something that philosophy usually doesn’t know what to do with. And ontology (as science of pure being) is something that psychoanalysis doesn’t know what to do with. The project of the book »What is sex?« is to take these two notions and cast them in the opposite camps. That is to say to take sex as the properly ontological question of psychoanalysis, and to pursue the implications that this kind of interrogation has for philosophy.
Alenka Zupančič ist Professorin für Philosophie und Psychoanalyse an der European Graduate School (EGS), an der University of Nova Gorica und am Institut für Philosophie an der Slovenska Akademija Znanosti in Umetnosti. Neben Slavoj Žižek und Mladen Dolar ist sie eine der bekanntesten Vertreterinnen der sogenannten »Laibacher Lacan-Schule«. Schwerpunkte ihrer Forschung bilden unter anderem das Verhältnis zwischen Sexualität und Ontologie, die lacanianische Psychoanalyse, der Begriff des Komischen, der deutsche Idealismus und Nietzsche. Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen zählen: Ethik des Realen: Kant, Lacan (Turia + Kant, 1995), The Shortest Shadow: Nietzsche’s Philosophy of the Two (MIT Press, 2003) und Der Geist der Komödie (Merve, 2014).
Moderation: Lucas Pohl
Veranstaltet vom Ak zeitgenössische Materialismen und dem Forum kritischer Wissenschaften (FkW).
Teil II der Veranstaltungsreihe Display – Gegenwart im Kontext
6.12.2017 um 19:00 // NG 1741b (IG Nebengebäude) // IG Farben Campus
Gewalt ist unvermindert Alltag für viele Frauen*, Kinder und Trans*. Alltag ist sie auch, weil die Gewalt in weiten Teilen gesellschaftlich (und staatlich) verharmlost und toleriert wird anstatt sie – strukturell und im Einzelfall – effektiv zu bekämpfen.
Letztes Jahr wurde mit viel feministischem Nachdruck ein neues Sexualstrafrecht erkämpft, dass dem Grundsatz folgt „Nein heißt Nein“. Auch Stalking kann inzwischen strafrechtlich verfolgt werden. Und seit einigen Jahren gibt es das Gewaltschutzgesetz, das Instrumente bei Gewalt im sozialen Nahraum an die Hand gibt.
Mit dem strafenden Staat also gegen Patriarchat & Sexismus? – Da werden viele feministische und anti-rassistische „Jein, aber’s“ laut. Ein Blick in feministisch-materialistische Rechtstheorie und die bittere Rechtswirklichkeit der Strafverfolgung zeigen, dass es einfache Antworten nicht geben wird – ein weiter so wie bisher aber definitiv auch keine Option ist.
Die Veranstaltung versucht daher einen Rundumschlag: Zunächst wird das derzeitige Sexualstrafrecht – das auch im Rahmen des Studiums nicht gelehrt wird – für Jurist*innen und nicht-Jurist*innen verständlich dargestellt. Dann wird der aktuelle Diskurs zu sexualisierter Gewalt und zur Reform des Sexualstrafrechts nachskizziert. Dabei steht im Fokus der Kritik die Mittäterschaft des bürgerlichen Rechtsstaats bei der Absicherung von ungleichen Geschlechterverhältnissen und sexualisierter Gewalt. Abschließend gehen wir gemeinsam der Frage nach: „Was tun?“ angesichts sexualisierter Gewalt, einer sexistischen, patriarchalen Justiz und rassistischer Vereinnahmungsversuchen.
Friederike Boll hat Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main studiert und arbeitet u.a. zu Sexualstrafrecht. Sie wird als Expertin zu dem Thema einen Input geben und Fragen und Diskussionbeiträge beantworten und kommentieren.
Veranstaltet durch die Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie am FB 03 und das Forum kritischer Wissenschaften.
Zur Reihe:
Meldungen über den autoritären Umbau inner- und außereuropäischer Staaten flimmern täglich über die Bildschirme. Weltweite Proteste und sich immer wieder neu formierende soziale Bewegungen werden in der Presse und in sozialen Netzwerken rund um die Uhr diskutiert. Eine gesellschaftstheoretisch informierte Analyse dieser Ereignisse bleibt im gegenwärtigen öffentlichen und medialen Diskurs jedoch weitgehend aus. Was können die kritischen Wissenschaften für das Verständnis solcher aktuellen politischen Geschehnisse beitragen? Anliegen der Veranstaltungsreihe ist es, sich in einer offenen Diskussion mit lokalen Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus unterschiedlichen Fachgebieten diese komplexen Themen zu erschließen. Dabei soll zugleich das Potential kritischer Gesellschaftstheorie zur Analyse sozialer Entwicklungen und Probleme der Gegenwart befragt und die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen als Teil der akademischen Praxis verankert werden.
Die aktuellen Themen und Referent*innen werden jeweils kurzfristig bekannt gegeben.
Zeit:
01.11.2017 + 06.12.2017 + 07.02.2018 // jeweils 19:00 Uhr
Ort:
01.11.2017 // Café auf dem Campus Hoppenworth & Ploch („Hopplo“) // Siolistraße 7, 60323 Frankfurt am Main (auf dem IG Farben Campus)
06.12.2017 + 07.02.2018 // NG 1741b (IG-Nebengebäude), Norbert-Wollheim-Platz 1 (auf dem IG Farben Campus)
Dienstag, 21. November // 19:00 – 21:00 Uhr // Cas 1.811 (IG-Farben‑Campus, Nina-Rubinstein-Weg 1, 60323 Frankfurt am Main)
Wenn eine gesellschaftskritische Ausrichtung die Psychoanalyse kennzeichnet, dann ist es die Aufdeckung dessen, was Freud das »Unbehagen in der Kultur« nannte. Damit direkt verbunden ist die Aufdeckung der libidinösen Ausbeutung bzw. der libidinösen Verankerung der Machtverhältnisse. Diese Einsichten Freuds wurden einerseits von der Kritischen Theorie aufgegriffen und fanden andererseits in Jacques Lacans »Rückkehr zu Freud« wichtige psychoanalytische Weiterentwicklungen. Ausgehend von der Lustproblematik wird sich der Vortrag der andauernden Aktualität der freudo-lacanschen Psychoanalyse widmen. Wieso braucht die Kritik der politischen Ökonomie psychoanalytische Grundbegriffe (Trieb, Unbewusstes, Übertragung)? Wie mischt sich Lust überhaupt in die Reproduktion der kapitalistischen Machtverhältnisse ein? Und schließlich: Was kann uns die Psychoanalyse über den Aufstieg des sogenannten Neopopulismus sagen?
Samo Tomšič promovierte in Philosophie an der Universität Ljubljana, Slowenien, und ist seit 2011 an der Humboldt Universität zu Berlin tätig. Seine Forschungsbereiche umfassen französische Philosophie, deutschen Idealismus, Epistemologie, Psychoanalyse und Sprachphilosophie. Letzte Veröffentlichungen: The Capitalist Unconscious. Marx and Lacan (Verso, 2015) und Psychoanalysis: Topological Perspectives (Hg. mit Michael Friedman, Transcript, 2016).
Moderation: Lucas Pohl
Veranstaltet vom Ak zeitgenössische Materialismen und dem Forum kritischer Wissenschaften (FkW).